Die Transparenzverordnung – Neue Vorgaben, die es in sich haben

Die Transparenzverordnung kam eher leise daher. Die Rede ist von der Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.

Sie wurde am 9. Dezember 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist damit seit Jahresende 2019 in Kraft. Die Vorschriften gelten jedoch erst ab März 2021. Diese längere Übergangsfrist hat durchaus seine Berechtigung, denn die neuen Vorgaben lassen sich nicht von jetzt auf gleich umsetzen.

Wer ist Adressat der Transparenzverordnung?

Die Transparenzverordnung richtet sich an die Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Finanzmarktteilnehmer sind alle regulierten Unternehmen, die entweder Portfolioverwaltung oder kollektive Vermögensverwaltung (also die Verwaltung von Fondsvermögen) erbringen oder ein Versicherungsanlageprodukt anbieten. Mit den Finanzberatern sind dann alle weiteren regulierten Unternehmen erfasst, die Anlageberatung oder Versicherungsberatung für ein Versicherungsanlageprodukt erbringen. Wer weniger als drei Mitarbeiter beschäftigt, ist nicht von der Verordnung erfasst.

Veröffentlichung des Umgangs mit Nachhaltigkeitsrisiken

Die Transparenzverordnung zwingt Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, im Rahmen ihres Risikomanagements Nachhaltigkeitsrisiken zu berücksichtigen. Auf genaue Vorgaben, wie ein solchen Risikomanagement auszusehen hat, verzichtet die Verordnung. Stattdessen listet sie auf, welche Informationen im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken auf der Internetseite der Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu veröffentlichen sind. Bei den Finanzmarktteilnehmern geht es um die Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungsprozessen. Wenn also ein Finanzmarktteilnehmer für einen Kunden Vermögensverwaltung anbietet und im vom Kunden vorgegebenen Rahmen Anlageentscheidungen für den Kunden trifft, soll der Kunde nachvollziehen können, inwieweit Nachhaltigkeitsrisiken in seinem Portfolio einbezogen und wie diese strategisch gemanagt werden. Dasselbe gilt für Finanzberater. Deren Kunden sollen ebenfalls künftig nachvollziehen können, inwieweit Nachhaltigkeitsrisiken in der Anlageberatung Berücksichtigung finden.  Denn nur so kann der Kunde eine informierte Anlageentscheidung treffen.

Finanzmarktteilnehmer, die weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen, müssen also ab 10. März 2021 im Internet offenlegen, welche Strategie sie zur Feststellung und Gewichtung der wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen und Nachhaltigkeitsindikatoren verfolgen. Auch müssen die wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen und ggf. geplante oder ergriffene Gegenmaßnahmen beschrieben werden. Ein Beispiel für nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen wären Sturmschäden, Waldbrände oder Ernteausfälle aufgrund von irregulärem Wetter. Größere Unternehmen und Gruppen haben bis zum 30. Juni 2021 Zeit.

Entsprechend sollen Finanzberater ab dem 10. März 2021 Informationen darüber, ob sie bei ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung die wichtigsten Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen oder warum sie solche nicht berücksichtigen, offenlegen.

Hand in Hand mit den o.g. Offenlegungspflichten geht die Transparenz der Vergütungspolitik in diesen regulierten Unternehmen, die zum einen ergänzt werden muss um eine Strategie zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen der Vergütung. Zum anderen ist diese Strategie dann ebenfalls auf der Webseite des Finanzmarktteilnehmers und Finanzberaters offenzulegen.

Vorvertragliche Transparenzvorgaben und Offenlegungspflichten im Hinblick auf  Finanzprodukte

Der EU-Gesetzgeber geht davon aus, dass ohne harmonisierte Vorschriften über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten gegenüber Kunden davon auszugehen ist, dass weiterhin unterschiedliche Maßnahmen auf nationaler Ebene getroffen werden und in verschiedenen Finanzdienstleistungsbranchen unterschiedliche Ansätze fortbestehen. Diese divergierenden Maßnahmen und Ansätze würden wegen der großen Unterschiede bei den Offenlegungsstandards auch künftig erhebliche Wettbewerbsverzerrungen verursachen und eine Vergleichbarkeit von Unternehmen und Finanzprodukten für den Kunden erschweren.

Daher enthält die Transparenzverordnung einen zweiten großen Regelungsbereich, der den direkten Kundenkontakt betrifft. Es gibt neue vorvertragliche Transparenzpflichten und Transparenzpflichten, die an die Finanzprodukte selbst gebunden und fortlaufend zu erbringen sind.

Neue vorvertragliche Pflichten

Die oben beschriebenen Informationen, die zunächst auf der Internetseite der Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu veröffentlichen sind, müssen jedem Kunden bereits bei Geschäftsanbahnung und vor Geschäftsabschluss – aber im Rahmen der allgemeinen Kundendokumentation – zur Verfügung gestellt werden. Sofern Nachhaltigkeitsrisiken nicht relevant erscheinen, muss dies klar und knapp begründet werden. Es geht also künftig nicht mehr, dass über Nachhaltigkeit im Rahmen des Portfoliomanagements oder der Anlageberatung nicht gesprochen wird.

Werden mit einem Finanzprodukt etwa ökologische und/oder soziale Merkmale beworben, verlangt die Transparenzverordnung künftig genaue Angaben darüber, wie solche Merkmale erfüllt werden.

Sofern mit einem Finanzprodukt eine nachhaltige Investition angestrebt wird, muss für den Kunden bereits vorvertraglich erkennbar sein, wie das angestrebte Ziel erreicht werden kann.

Offenlegungspflichten für Finanzprodukte

Spätestens ab dem 30. Dezember 2022 muss für jedes Finanzprodukt im Rahmen der Portfolioverwaltung klar und begründet erläutert werden, ob und – wenn ja – wie ein einem Finanzprodukt die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden.

Sofern ein Finanzprodukt nachhaltig ist und als solches auch beworben wird, müssen künftig Finanzmarktteilnehmer, die solche Produkte im Portfoliomanagement verwenden, detaillierte Informationen zur Nachhaltigkeit auf ihrer Webseite zur Verfügung stellen und aktuell halten. Zusätzlich müssen diese detaillierten Informationen auch in regelmäßigen Berichten ihren Niederschlag finden, etwa in Jahresberichten oder den Berichten an den Kunden über den Stand seines Portfolios und der erbrachten Verwaltungsleistung.

Das Datenthema

Die Transparenzverordnung spricht eines der heutigen Problemkreise dieser Regulierung bereits selbst an. Die EU-Kommission erhält durch die Verordnung die Ermächtigung, bis zum 30. Dezember 2022 zu bewerten, ob das Fehlen von Daten oder eine suboptimale Qualität der Daten die regulatorischen Vorgaben behindert. Hier bleibt abzuwarten, wie der Markt den Umgang mit der bestehenden Datenlage gestaltet. Sicher ist, dass künftig mehr und einheitlichere Nachhaltigkeitsdaten der den Finanzprodukten zugrundeliegenden Unternehmensdaten erforderlich sind, als das derzeit der Fall ist.

Was ist zu tun?

Zum jetzigen Zeitpunkt sollten sich Portfoliomanager und Anlageberater Gedanken darüber machen, wie sie künftig mit Nachhaltigkeitsrisiken und überhaupt insgesamt mit dem Thema Sustainable Finance umgehen wollen. Als Anregung dafür könnte das Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken dienen. Ignorieren kann man das Thema nicht mehr. Da die Taxonomie-Verordnung noch auf sich warten lässt, sind im Moment einfach noch nicht alle Vorgaben, die Berücksichtigung finden müssen in den individuellen Nachhaltigkeitsstrategien, auf dem Tisch.

EBA’s Action Plan on Sustainable Finance

Climate change and the response to it by the public sector and society in general have led to an increasing relevance of environmental, social and governance (ESG) factors for financial markets. It is, therefore, essential that financial institutions are able to measure and monitor the ESG risks in order to deal with risks stemming from climate change (learn more about climate change related risks in our previous Blogpost.

To support this, on 6 December 2019, the European Banking Authority (EBA) published its Action Plan on Sustainable Finance outlining its approach and timeline for delivering mandates related to ESG factors. The Action Plan explains the legal bases of the EBA mandates and EBA´s sequenced approach to fulfil these mandates.

Why is EBA in charge ? EBA mandates on sustainable finance

The EBA´s remit and mandates on ESG factors and ESG risks are set out in the following legislative acts:

  • the amended EBA Regulation;
  • the revised Capital Requirements Regulation (CRR II) and Capital Requirements Directive (CRD V);
  • the new Investment Firms Regulation (IFR) and Investment Firms Directive (IFD) and
  • the EU the Commission´s Action Plan: Financing Sustainable Growth and related legislative packages.

These legislatives acts reflect a sequenced approach, starting with the mandates providing for the EBA to oblige institutions to incorporate ESG factors into their risk management as well as delivering key metrics in order to ensure market discipline. The national supervisory authorities are invited to gain an overview of existing ESG-related market risks. In a second step, the EBA will develop a dedicated climate change stress test that institutions should use to test the impact of climate change related risks on their risk-bearing capacity and to take appropriate precautions. The third step of the work will look into the evidence around the prudential treatment of “green” exposures.

The rationale for this sequencing is the need firstly to understand institutions´ current business mix from a sustainability perspective in order to measure and manage it in relation to their chosen strategy, which can then be used for scenario analysis and alter for the assessment of an appropriate prudential treatment.

Strategy and risk management

With regard to ESG strategy and risk management, the EBA already included references to green lending and ESG factors in its Consultation paper on draft guidelines on loan origination and monitoring which will apply to internal governance and procedures in relation to credit granting processes and risk management. Based on the guidelines the institutions will be required to include the ESG factors in their risk management policies, including credit risk policies and procedures. The guidelines also set out the expectation that institutions that provide green lending should develop specific green lending policies and procedures covering granting and monitoring of such credit facilities.

In addition, based on the mandate included in the CRD V, the EBA will asses the development of a uniform definition of ESG risks and the development of criteria and methods for understanding the impact of ESG risks on institutions to evaluate and manage the ESG risks.

It is envisaged that the EBA will first publish a discussion paper in Q2-Q3/2020 seeking stakeholder feedback before completing a final report. As provided for in the CRD V, based on the outcome of this report, the EBA may issue guidelines regarding the uniform inclusion of ESG risks in the supervisory review and evaluation process performed by competent authorities, and potentially also amend or extend other policies products including provisions for internal governance, loan origination and outsourcing agreements.

Until EBA has delivered its mandates on strategy and risk management, it encourages institutions to act proactively in incorporating ESG considerations into their business strategy and risk management as well as integrate ESG risks into their business plans, risk management, internal control framework and decision-making process.

Key metrics and disclosures

Institutions disclosures constitute an important tool to promote market discipline. The provision of meaningful information on common key metrics also distributes to making market participants aware of market risks. The disclosure of common and consistent information also facilitates comparability of risks and risks management between institutions, and helps market participants to make informed decisions.

To support this, CRR II requires large institutions with publicly listed issuances to disclose information on ESG risks and climate change related risks. In this context, CRR II includes a mandate to the EBA according to which it shall develop a technical standard implementing the disclosure requirements. Following this mandate, EBA will specify ESG risks´ disclosures as part of the comprehensive technical standard on Basel´s framework Pillar 3.

Similar mandates are contained in the IFR and IFD package. The IFD mandate for example requires EBA to report on the introduction of technical criteria related to exposures to activities associated substantially with ESG objectives for the supervisory review and evaluation process of risks, with a view to assessing the possible sources and effects of such risks on investment firms.

Until EBA has delivered its mandates, it encourages institutions to continue their work on existing disclosure requirements such as provided for in the Non-Financial Reporting Directive (NFRD) as well as participation in other initiatives. EBA also encourages institutions to prioritise the identification of some simple metrics (such as green asset ratio) that provide transparency on how climate change-related risks are embedded into their business strategies, decision-making process, and risk management.

Stress testing and scenario analysis

The EBA Regulation includes a specific reference to the potential environmental-related systemic risk to be reflected in the stress-testing regime. Therefore, the EBA should develop common methodologies assessing the effect of economic scenarios on an institutions´ financial position, taking into account, inter alia, risks stemming from adverse environmental developments and the impact of transition risk stemming from environmental political changes.

Also the CRD V mandate requires EBA to develop appropriate qualitative and quantitative criteria, such as stress testing processes and scenario analysis, to asses the impact of ESG risks under scenarios with different severities. Hence, EBA will develop a dedicated climate stress test with the main objective of identifying banks´ vulnerabilities to climate-related risks and quantifying the relevance of the exposures that could potentially hit by climate change related risks.

Until delivering its mandates, EBA encourages institutions to adopt climate change related scenarios and use scenario analysis as an explorative tool to understand the relevance of the exposures affected by and the potential magnitude of climate change related risks.

Prudential treatment

The mandate in the CRR II asks EBA to assess if a dedicated prudential treatment of exposures to assets or activities associated with environmental or social objectives would be justified. The findings should be summarised in a report based on the input of a first to be published discussion paper.

Upshot

Between 2019 and 2025, the EBA will deliver a significant amount of work on ESG and climate change related risks. The obligations for institutions with regard to a sustainable financial economy and a more conscious handling of climate change related risks are becoming increasingly concrete. Institutions should take the EBA’s encouragement seriously and consider applying the measures recommended by the EBA prior to the publication of any guidelines, reports or technical standards.

ESMA gibt technische Empfehlungen für Nachhaltigkeit im Fondsbereich heraus

Auch bei Investmentfonds wird Nachhaltigkeit als aufsichtsrechtliches Thema immer wichtiger. Am 3. Mai hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) ihre Technischen Empfehlungen zu nachhaltigem Finanzwesen an die EU-Kommission veröffentlicht, die sich auf die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und faktoren in europäische Regelwerke für Investmentfonds beziehen.

Hintergrund

Nachdem die Europäische Kommission im Juli 2018 die ESMA um eine Konsultation bezüglich Änderungen der europäischen Regelwerke für Investmentfonds ersucht hatte, konsultierte die ESMA ihre Vorschläge von Dezember 2018 bis April 2019 (siehe dazu auch hier). Die Technische Empfehlung basiert auf der Konsultation und den erfolgten Stellungnahmen.

Eckpunkte der finalen Empfehlungen

Die Technischen Empfehlungen modifizieren die AIFMD und die UCITS-Richtlinie in Bezug auf Organisationspflichten, Voraussetzungen für den Geschäftsbetrieb und das Risikomanagement der KVGen.

• Bezüglich der Organisationspflichten müssen Nachhaltigkeitsrisiken nunmehr bei allgemeinen Anforderungen an Verfahren und Organisation berücksichtigt werden, außerdem müssen bei den Mitarbeitern Ressourcen und Fachkenntnisse für die wirksame Integration von Nachhaltigkeitsrisiken gegeben sein. Die Verantwortlichkeit für die Integration der Nachhaltigkeitsrisiken liegt bei der Geschäftsleitung.

• Im Geschäftsbetrieb müssen Interessenkonflikte, die sich im Zusammenhang mit der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und –faktoren ergeben, berücksichtigt werden. Hier wird der finale Entwurf konkreter als der konsultierte Entwurf: Die ESMA hebt insbesondere Konflikte hervor, die sich aus der Vergütung oder den persönlichen Geschäften einzelner Mitarbeiter ergeben können. Konkret sollten Konfliktquellen, die Greenwashing, Misselling oder Churning unterstützen, identifiziert werden. Greenwashing bezeichnet das Suggerieren tatsächlich nicht vorliegender Nachhaltigkeit. Misselling liegt vor, wenn Mitarbeiter Kunden Produkte verkaufen, die für den Kunden ungeeignet sind, oder wenn die Produkte im Vertrag falsch dargestellt werden. Beim Churning kauft und verkauft ein Mitarbeiter zum Nachteil des Kunden übermäßig viele Wertpapiere über das Kundenkonto, um Provisionen zum eigenen Nutzen zu erzielen.

Auch widersprüchliche Interessen zwischen Fonds mit unterschiedlichen Anlagestrategien, die von derselben OGAW-Verwaltungsgesellschaft oder demselben AIFM verwaltet werden, sowie Situationen, in denen es andere Geschäftsbeziehungen zu Beteiligungsgesellschaften gibt, sollten bei der Identifizierung von Interessenkonflikten berücksichtigt werden.

Zudem müssen im Rahmen der Due Diligence Nachhaltigkeitsrisiken bei der Auswahl und Überwachung von Investments berücksichtigt sowie Wissen und Kenntnisse der Mitarbeiter dazu sichergestellt werden. Dies kann etwa dadurch erreicht werden, dass Richtlinien und Prozesse entwickelt und wirksame Maßnahmen eingeführt werden, bspw. um die nachteiligen Auswirkungen von Beteiligungsunternehmen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu verringern.

• Bei der Entwicklung, Implementierung und Aufrechterhaltung angemessener und dokumentierter Richtlinien zum Risikomanagement müssen auch Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt werden.

Die Regelungen sind prinzipienbasiert, sodass die Anforderungen der Aufsicht von Größe und Leistungsfähigkeit jeder Kapitalverwaltungsgesellschaft sowie vom Umfang der betriebenen Geschäfte abhängig sind.

Fazit und Ausblick

Die Technischen Empfehlungen integrieren Nachhaltigkeitsrisiken und –faktoren in die AIFMD und die UCITS-Richtlinie gleichermaßen und stellen einen weiteren Schritt in Richtung nachhaltiger Finanzwirtschaft dar. Allerdings geben sie keine Definition der Nachhaltigkeitsrisiken und –faktoren an, was die harmonisierte Anwendung in allen Mitgliedstaaten zumindest nicht erleichtert. Auch welche konkreten Aktivitäten die verschiedenen ESG-Kriterien Environment, Social und Governance in welchem Maße fördern, geht aus den Technischen Empfehlungen nicht hervor. Zwar ist jetzt klar, in welchen Situationen Nachhaltigkeitsrisiken und –faktoren beachtet werden müssen. Ohne einheitliche Begriffsdefinition besteht jedoch bspw. das Risiko, dass Produkte fälschlicherweise als nachhaltig klassifiziert werden oder dass zwischen Kunden und Investmentfirmen bzw. Fonds Uneinigkeit über das Vorliegen von Nachhaltigkeitsfaktoren entstehen können.

Auf den ersten Blick wären Definitionen der Nachhaltigkeitsrisiken und –faktoren in die Technischen Empfehlungen wünschenswert gewesen, sinnvoller ist jedoch eine übergreifende Regelung, die sich auch auf andere Regelwerke übertragen lässt. Die europäischen Gesetzgebungsorgane beschäftigen sich derzeit mit der Schaffung einer einheitlichen Taxonomie zu nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten. Eine harmonisierte Anwendung der Technischem Empfehlungen ist voraussichtlich mit Umsetzung der einheitlichen Taxonomie leichter. Die Schnittstellen, an denen Nachhaltigkeitsaspekte Eingang in den Fondsbereich finden, sind durch die Technischen Empfehlungen aber absehbar.

NGFS Bericht: Klimawandel als Risikofaktor der Finanzwirtschaft – Zentralbanken und Aufsichtsbehörden sollten sich vorbereiten

Der Klimawandel ist in aller Munde. Er wird viele Lebensbereiche betreffen und auch vor der Finanzwirtschaft nicht Halt machen. Aber wie könnten die Auswirkungen des Klimawandels in der Finanzwelt genau aussehen? Wie sollten sich Zentralbanken und Aufsichtsbehörden auf diese Risiken im Rahmen ihrer Aufsichtspraxis vorbereiten? Und was bedeutet das für Marktteilnehmer? Diese Fragen haben wir uns genauer angeschaut.

Der Klimawandel birgt Risiken für die Finanzwirtschaft. Aber auch Chancen?

Die Auswirkungen des Klimawandels in der Finanzwelt werden vielschichtig und komplex sein. Immer häufigere und extremere Wetterphänomene können zum Beispiel dazu führen, dass Versicherungen mehr und höhere Versicherungsschäden ausgleichen müssen. Dafür werden sie den Versicherten höhere Versicherungsprämien in Rechnung stellen, wodurch Privathaushalte und Unternehmen zusätzlich finanziell belastet werden. Dies kann zu einer Verringerung der Schuldenrückzahlungsfähigkeit von privaten oder gewerblichen Kreditnehmern führen, was wiederum das Kreditrisiko für Banken erhöhen kann. Extreme Wetterphänomene können zudem auch die Zerstörung oder Wertminderung von Vermögenswerten (z.B. Immobilien) zur Folge haben, die als Kreditsicherheit den Banken zur Verfügung gestellt werden. Das kann Banken dazu veranlassen, ihre Kreditvergabe einzuschränken und die für den Wiederaufbau in den von den Wetterphänomenen betroffenen Gebieten verfügbaren Mittel zu kürzen.

Auch wird eine ganz grundsätzliche Umstellung der (Real-)Wirtschaft hin zu weniger Treibhausgasen erforderlich sein. Das wird nicht ohne Investitionen gehen, die ein großes Potential für die Finanzwirtschaft entfalten können. So hat z.B. allein die EU eine jährliche Investitionslücke von fast 180 Mrd. EUR identifiziert, um ihre Klima- und Energieziele zu erreichen. 1 Die OECD schätzt, dass zur Erreichung des 2-Grad-Ziels die Finanzierung und Refinanzierung von Anleihen in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und emissionsarme Fahrzeuge das Potenzial haben, bis 2035 jährlich 620 bis 720 Mrd. USD an Emissionen und 4,7 bis 5,6 Billionen USD an ausstehenden Wertpapieren zu erreichen. 2 Finanzmarktteilnehmer können also durchaus auch Geld mit den bevorstehenden Herausforderungen des Klimawandels verdienen.

Mit all diesen Zukunftsszenarien müssen sich auch Zentralbanken und Aufsichtsbehörden beschäftigen. Denn sie üben zum einen die regulatorische Aufsicht über das Finanzsystem als solches aus, zum anderen haben sie aber auch über die sich darin bewegenden Marktteilnehmer im Blick, die ganz unmittelbar von den Auswirkungen der Klimarisiken betroffen sein werden. Wie sollten sich die Regulatoren also vorbereiten?

NGFS: A call for action für Zentralbanken und Aufsichtsbehörden

Zu dieser Frage hat das Central Banks and Supervisors Network for Greening the Financial System (NGFS) im April 2019 seinen ersten Bericht “A call for action: climate change as a source of financial risks” veröffentlicht (abrufbar hier) und darin Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zu konkretem Handeln aufgerufen. Das 2017 gegründete NGFS besteht aus nationalen Zentralbanken, nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden und internationalen Organisationen (frühere Blogbeiträge zum NGFS finden Sie hier). In dem aktuellen Bericht gibt das Netzwerk Zentralbanken und Aufsichtsbehörden vier Handlungsempfehlungen, die diesen dabei helfen sollen, die Risiken, die sich aus dem Klimawandel bzw. dem Erfordernis einer nachhaltigen Wirtschaft für die Finanzwelt ergeben können, besser zu verstehen und in ihrer Aufsichtspraxis berücksichtigen zu können:

  1. Integration klimabezogener Risiken in die Überwachung der Finanzstabilität
    Finanzmarktteilnehmer sollten u.a. klimabedingte Risiken in ihr Risikomanagement mit einbeziehen und bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen.
     
  2. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren im eigene Portfoliomanagement Zentralbanken sollten den Marktteilnehmern mit guten Beispiel voran gehen und Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen der Verwaltung vorhandenen Portfolios (Eigenmitteln, Pensionsfonds und Rückstellungen) einbeziehen.
     
  3. Schließung von Datenlücken Daten, die zur Bewertung von Klimarisiken relevant sind, sollten unter den Behörden ausgetauscht und veröffentlicht werden. Gemeinsame Arbeitsgruppen sollten eingerichtet werden.
     
  4. Sensibilisierung, technische Hilfe und Wissensaustausch
    Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Finanzinstitute sollten interne Kapazitäten aufbauen und innerhalb ihrer Institute, sowie untereinander zusammenzuarbeiten, um ein besseres Verständnis dafür aufzubauen, wie sich klimabedingte Faktoren in finanzielle Chancen und Risiken umwandeln können.

Um die Zentralbanken und Aufsichtsbehörden mit angemessenen Tools auszustatten, mittels derer sie die oben genannten Empfehlungen umsetzen können, besteht noch einiger Handlungsbedarf. Das NGFS plant u.a. (i) den Entwurf eines Handbuchs für Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, (ii) Leitlinien zur Szenario-basierten Risikoanalyse und (iii) best practices für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die eigenen Portfolios. Für Marktteilnehmer bedeutet das, dass sie sich darauf einstellen müssen, dass die Themen Klimarisiken und Nachhaltigkeit zukünftig nicht nur bei Anlegern, sondern auch bei der Aufsicht immer mehr in den Fokus rücken wird.

Was passiert in Deutschland?

Die BaFin beschäftigt sich bereits intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Schon jetzt gibt es Aussagen, dass Nachhaltigkeitskriterien Teil des Risikomanagements sein sollen. Dieser Aspekt wird in den kommenden Monaten sicher auch rechtlich noch konkretisiert werden müssen, um Wirkung zu zeigen.

1 European Commission, Action Plan: Financing Sustainable Growth, 2018.
2 OECD, Mobilising Bond Markets for a Low-Carbon Transition, Paris, 2017.