Zum Jahreswechsel wurden zahlreiche neue regulatorische Vorhaben veröffentlicht. Diese Woche starten wir mit der Vorstellung des sog. Risikoreduzierungsgesetzes, das (größtenteils) bereits Ende 2020 in Kraft getreten ist.
Das Risikoreduzierungsgesetz dient der Umsetzung des sog. EU-Bankenpakets und umfasst Änderungen der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation – nunmehr CRR II), der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive – nunmehr CRD V), der Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive – nunmehr BRRD II) und des einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism Regulation – nunmehr SRMR II). Die Anpassungen der EU-Verordnungen finden unmittelbar in den Mitgliedstaaten Anwendung; im Falle der angepassten EU-Richtlinien (CRD V und BRRD II) bedarf es hingegen einer Umsetzung in nationales Recht. Diese erfolgt für Deutschland mit dem Risikoreduzierungsgesetz (RiG).
Vorgesehen sind vor allem Anpassungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG). Dieser Beitrag konzentriert sich im Folgenden auf die Vorstellung ausgewählter Änderungen und Neuerungen im KWG.
Wesentliche Änderungen im KWG
- Zulassungspflicht von Finanzholdinggesellschaften
Finanzholdinggesellschaften sind Finanzinstitute, dessen Tochterunternehmen ausschließlich bzw. hauptsächlich selbst Institute oder Finanzinstitute sind. Eine Finanzholdinggesellschaft kann also z.B. das Mutterunternehmen einer Bankengruppe sein. Die Anwendung aufsichtsrechtlicher Anforderungen beschränkt sich in einem solchen Fall nicht nur auf die Einzelebene der Tochterunternehmen, sondern erfolgt auf konsolidierter Ebene. Zukünftig sieht das KWG für Finanzholdinggesellschaften, die an der Spitze einer Gruppe stehen und für die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Gruppenebene verantwortlich sind, eine Zulassungspflicht vor. Die Finanzholdinggesellschaft selbst wird damit verpflichtet, die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf Gruppenebene sicherzustellen, nur dann wird die Zulassung erteilt. Das ist sachgerecht, da es für die von der Holdinggesellschaft kontrollierten (Tochter-)Institute in der Regel eher schwierig ist, die Einhaltung von aufsichtlichen Anforderungen innerhalb der ganzen Gruppe sicherzustellen. Die neuen Regelungen im KWG legen im Detail fest, welche Informationen und Unterlagen im Rahmen des Zulassungsverfahrens einzureichen sind sowie die konkreten Voraussetzungen, die für die Erteilung der Zulassung zu erfüllen sind. Die Zulassungspflicht gilt grundsätzlich ab Inkrafttreten des RiG, also bereit ab Ende 2020. Für bereits am 27. Juni 2019 bestehende Finanzholding-Gesellschaften gilt allerdings insoweit eine Übergangsregelung als eine Zulassung erst bis Ende Juni 2021 beantragt werden muss. Dies stellt aber lediglich eine Verfahrenserleichterung dar; während des Übergangszeitraums stehen der Aufsicht alle aufsichtsrechtlichen Befugnisse zu, die auch gegenüber zugelassenen Finanzholdinggesellschaften bestehen.
- Einrichtung eines Intermediate EU Parent Undertaking
Neu eingeführt wird auch die Pflicht zur Einrichtung eines zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmens (Intermediate EU Parent Undertaking – IPU). Dies gilt für Drittstaatenbankengruppen, also wenn zwei oder mehr CRR-Institute mit Sitz im EWR das gleiche Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat haben und der Gesamtwert der Vermögenswerte der Drittstaatengruppe innerhalb des EWR 40 Mrd. Euro übersteigt. Das IPU muss grundsätzlich ein CRR-Kreditinstitut oder eine Finanzholding-Gesellschaft sein, die über eine entsprechende Zulassung verfügt (s.o.); Wertpapierfirmen können nur in bestimmten Fällen als IPU qualifizieren. Mit der Einrichtung eines IPU soll erreicht werden, die Aufsicht über eine Drittstaaten-Bankengruppe, die in der EU tätig ist, zu erleichtern. Die Verpflichtung zur Einrichtung eines IPU gilt grundsätzlich ab Inkrafttreten des RiG, also bereits ab Ende 2020. Für Drittstaaten-Bankengruppen, die bereits am 27. Juni 2019 mit mehr als einem Institut in der EU vertreten waren und deren Vermögenswerte die 40 Mrd. zu diesem Zeitpunkt überschritten haben, gilt allerdings eine Übergangsregelung; sie müssen bis Ende Dezember 2023 über ein IPU verfügen.
- Anpassung der Organkreditvorschriften
Die sog. Organkreditvorschriften des KWG enthalten Regelungen, wonach Kreditvergaben an bestimmte Personengruppen eines einstimmigen Beschlusses der Geschäftsleiter des Instituts bedürfen. Damit soll Interessenkonflikten bei der Kreditvergabe vorgebeugt werden. Erfasst sind derzeit etwa Kreditvergaben an die Geschäftsleiter selbst, die Mitglieder des Aufsichtsorgans sowie ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder. Das RiG schärft hier nach und erweitert den Kreis der Personen, auf die die besonderen Beschlussfassungspflichten anzuwenden sind; nunmehr ist auch die Kreditvergabe an Elternteile und volljährige Kinder von Geschäftsleitern oder Mitgliedern des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats erfasst. Auch hier sollen Interessenskonflikte bei der Kreditvergabe im „engsten Familienkreis“ vermieden werden.
- Vergütungsregelungen und einheitliche Definition eines bedeutenden Instituts
Im Bereich der Vergütungsregelungen gibt es hinsichtlich der Risikoträgeridentifikation und der geschlechtsneutralen Vergütung neue Regelungen. Bislang galt diese Verpflichtung zur Risikoträgeridentifikation nur für bedeutende Institute. Nunmehr ist sie von allen CRR-Instituten sowie Instituten, die zwar kein CRR-Institut, aber ein bedeutendes Institut sind, durchzuführen. Die Definition eines bedeutenden Instituts wird durch das RiG ebenfalls nunmehr einheitlich im Rahmen der Begriffsbestimmungen geregelt. Hintergrund der Identifizierungspflicht von Risikoträgern ist, dass die Vergütungssysteme, die auf sie angewendet werden, besonderen Anforderungen unterliegen, die im Detail in der Institutsvergütungsverordnung geregelt sind. Zudem wird das Prinzip der geschlechtsneutralen Vergütung ausdrücklich für die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eines Instituts aufgenommen. Eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts ist unzulässig.
- Corporate Governance
Im Bereich Corporate Governance enthält das RiG vor allem Regelungen zur Eignung von Geschäftsleitern und Organmitgliedern. Die Verantwortung zur anfänglichen und fortbestehenden Eignung von Organmitgliedern für ihre jeweilige Position liegt bei dem Institut. Liegen Tatsachen vor, die erhebliche Auswirkungen auf die ursprüngliche Beurteilung der Zuverlässigkeit und Eignung haben, wird nunmehr klargestellt, dass diese unverzüglich von den Instituten anzuzeigen sind. Zudem ist das Ergebnis der Beurteilung der Eignungsanforderungen durch das anzeigende Institut mitzuteilen. Ferner wird geregelt, dass die Geschäftsleiter in ihrer Gesamtheit über ein angemessen breites Spektrum von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen müssen, die zum Verständnis der Tätigkeiten des Instituts einschließlich seiner Hauptrisiken notwendig sind. Jedes einzelne Mitglied der Geschäftsleitung muss aber nach wie vor die zur Erfüllung seiner jeweiligen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen. Weitere Informationen hierzu sind im überarbeiteten Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu den Geschäftsleitern und den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen enthalten, die bereits entsprechend Ende Dezember 2020 angepasst wurden.
Übergangsvorschriften für Wertpapierfirmen
Wertpapierfirmen werden ab Mitte 2021 grundsätzlich nicht mehr den KWG-Regelungen, sondern einem eigenen Regelungsregime unterliegen; darüber haben wir bereits hier ausführlich berichtet. Die Änderungen, die aufgrund des RiG im KWG erforderlich werden, gelten deshalb in dem Übergangszeitraum nach Inkrafttreten des RiG (Ende 2020) und vor dem Inkrafttreten des neuen Aufsichtsregimes (Juni 2021) nicht für Wertpapierfirmen. Für sie gelten weiterhin die Vorschriften des KWG in der vor Inkrafttreten des RiG gültigen Fassung. Eine Ausnahme gilt insoweit nur für die Verpflichtung der Einrichtung eines IPU.
Ausblick
Mit der Umsetzung des EU-Bankenpakets ist ein weiterer wichtiger Regulierungsabschnitt zur Reduzierung der Risiken im Bankensektor abgearbeitet. Aber nach der Regulierung ist vor der Regulierung und die EU-Kommission arbeitet bereits an den Entwürfen der CRR III und CRD VI, mit denen die Umsetzung des finalen Basel III-Pakets von 2017 erfolgen soll. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise wurde dessen Umsetzung um ein Jahr auf Januar 2023 verschoben.