ESG Names and Claims in der Fondsindustrie

Anfang Oktober hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“) eine sehr interessante Untersuchung zur Verwendung von ESG-Begriffen in Fondsnamen und Fondsdokumentation veröffentlicht. Wir wollen einen näheren Blick darauf werfen.

Der Hintergrund

Die Transition hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft bedarf enormer Finanzmittel. Einen Teil davon kann der Fondsmarkt bereitstellen. In den letzten drei Jahren hat sich das globale Vermögen nachhaltiger Fonds laut ESMA verdreifacht und erreichte Ende 2022 in Europa einen Rekordwert von ca. 2 Billionen Euro. Es leuchtet deshalb ein, dass es wichtig ist, das Vertrauen von Investoren in nachhaltige Finanzprodukten im allgemeinen und Fonds im speziellen zu schützen und zu vermeiden, dass sie Opfer von Greenwashing werden. Nur dann wird auch die Nachfrage nach diesen Produkten nachhaltig bleiben (können) und Kapital kann darüber in die Umgestaltung der Wirtschaft gelenkt werden.

Problematisch ist dabei allerdings, dass es derzeit noch keine EU-einheitlichen Vorgaben (also eine echte Produktregulierung) zu der Frage gibt, wann sich ein Fonds als ESG-Fonds o.ä. bezeichnen darf (es gibt zwar bereits Ideen dazu, diese befinden sich aber derzeit noch im Entwurfsstadium – mehr dazu hier). Den Transparenzkategorien der EU-Transparenzverordnung (SFDR), die leider häufig als eine Art Ersatzklassifizierung oder -label genutzt werden, hatte der Gesetzgeber nie diesen Zweck zugedacht. Insbesondere der Name eines Fonds hat aber durchaus großen Einfluss auf die anfängliche Investorenbefassung und Investitionsentscheidung – ist er doch häufig der erste Berührungspunkt mit dem Fonds, gerade im Retail-Bereich.

Was hat die ESMA untersucht?

Vor diesem Hintergrund hat die ESMA nun genauer die Verwendung von ESG-Begriffen in Fondsnamen und -dokumenten sowie den Zusammenhang zwischen der Verwendung von ESG-Begriffen und ESG-Claims untersucht. Ihre Ergebnisse beziehen sich dabei jeweils auf die drei größten Fondstypen Equity-, Bond- und gemischte Fonds und fokussieren sich zudem auf aktiv gemanagte Fonds (was Sinn macht, denn der Name von z.B. einem Indexfonds spiegelt in der Regel schlicht den verfolgten Index wieder).

Hier sind die Key Findings:

Verwendung von ESG-Begriffen in Fondsnamen

1. Die Verwendung von ESG-Begriffen in Fondsnamen ist von unter 3% im Jahr 2013 auf ca. 14% zu Beginn des Jahres 2023 gewachsen.

  • Dabei scheint es einen Zusammenhang mit dem Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 zu geben, denn der Steigerungstrend bei der Verwendung von ESG-Begriffen in Fondsnahmen begann im Jahr 2016.

2. Für Fondsnamen werden eher unspezifische ESG-Begriffe als spezifische, den Bereichen E (Environment) oder S (Social) konkret zuordenbare Begriffe, verwendet.

  • Das kann unter Greenwashing Gesichtspunkten durchaus ein Thema sein. Zwar eröffnet eine generischere ESG-Sprache dem Fonds ggf. mehr Flexibilität bei der Asset Allocation. Aus Greenwashing- bzw. Investorenschutzsicht gilt aber wohl, dass spezifischere Begriffe es leichter machen würden, zu überprüfen, ob das Fondsportfolio mit dem Namen übereinstimmt.

3. Während der letzten sechs Jahre hat die Nachfrage von Investoren nach Fonds mit ESG-Begriffen im Namen die Nachfrage für andere Fonds z.T. deutlich übertroffen.

  • Das Nachfrage Peak befand sich dabei wohl in Ende 2020/Beginn 2021. Inzwischen hat sich die Nachfrage nach Fonds mit ESG-Namen der Nachfrage bzgl. anderer Fonds wieder angenähert, übersteigt sie aber weiter.

4. Fonds änderten im zeitlichen Zusammenhang mit dem ESG-Nachfrage-Peak ihren Namen zur Aufnahme von ESG-Begriffen.

  • Bei den Fonds, die seit 2018 ihren Namen zur Verwendung von ESG-Begriffen geändert haben, handelt es sich um 4.6% der aktiv gemanagten EU Equity-, Bond- und gemischten Fonds. Einen Peak gab es von Mitte 2021 bis Mitte 2022. Hier gibt es wohl einen Zusammenhang mit Punkt 3, denn der Anstieg bei der Änderung der Fondsnamen folgt zeitlich der erhöhten Nachfrage nach ESG-Fonds Ende 2020/Beginn 2021. Wie auch die Nachfrage hat die Anzahl der Änderung von Fondsnamen inzwischen wieder abgenommen.

Verwendung von ESG-Begriffen in Fondsdokumentation und Werbematerial

Untersucht hat die ESMA die verwendete Sprache in (i) Basisinformationsblättern (Key Information Document – KID) / wesentlichen Anlegerinformationen (Key Investor Information Document – KIID), (ii) Anlagestrategien und (iii) Werbematerialien.

1. Beinhaltet der Fondsname ESG-Begriffe, ist der Anteil an ESG-Begriffen in KID/KIID und der Anlagestrategie höher als bei Fonds, die keinen ESG-Namen haben.

  • Beim Werbematerial gibt es diesen Zusammenhang nicht. Das deutet darauf hin, dass allein ein ESG-Fondsname kein Treiber für die Verwendung von ESG-Begriffen in Webematerialen ist.

2. Die Verwendung von ESG-Begrifflichkeiten korreliert stark damit, unter welcher Transparenzkategorie der SFDR der Fonds einzuordnen ist.

  • Wenig überraschend enthalten die Fondsdokumentation und die Werbematerialen von Fonds, die unter Art. 6 SFDR verpflichtet sind, am wenigsten ESG-Begrifflichkeiten. Mehr ESG-Begrifflichkeiten finden sich in den Dokumenten von Fonds, die unter Art. 8 SFDR verpflichtet und noch mehr bei solchen, die unter Art. 9 SFDR verpflichtet sind. Das ist logisch, denn im Vergleich zu einem „Art. 6-Fonds“ muss ein „Art. 9 – Fonds“ sehr konkrete ESG-bezogene Angaben machen.

3. Neuer aufgelegte Fonds verwenden mehr ESG-Begriffe als älter aufgelegte Fonds.

  • Das spiegelt ebenfalls wenig überraschend die gestiegene Investorennachfragen nach „grünen Produkten“ wieder.

4. (ESG-)Kommunikationsstrategien werden an verschiedenen Lesergruppen angepasst.

  • Kleinanleger-Fonds werden mit mehr ESG-Angaben in dem KID/KIID in Verbindung gebracht, als Fonds, die an institutionelle Investoren vertrieben werden. Dieser Effekt lässt sich aber nicht bzgl. der verwendeten ESG-Sprache in den nicht regulierten Dokumenten zur Anlagestrategie und den Werbematerialen beobachten. Das deutet darauf hin, dass Fonds speziell in den regulierten Dokumenten, die für Kleinanleger verwendet werden, mehr ESG-Begriffe verwenden und ihre Kommunikation an den jeweiligen Leser anpassen.

Fazit

Die ESMA sieht sich in der Annahme bestätigt, dass der Fondsname eine Quelle für Greenwashing sein kann, soweit der Name gar nicht das tatsächliche Nachhaltigkeitsprofil des Fonds wiederspiegelt. Entsprechendes gilt für die Fonddokumentation und Webemateriealien. Die Verhinderung von Greenwashing wird deshalb weiter ein Aufsichtsschwerpunkt sein. Das spricht dafür, dass eine echte Produktregulierung mit verbindlichen Vorgaben, wann sich ein Fonds als ESG o.ä. bezeichnen darf, wohl nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird. 

Regulierung für ESG-Rating Anbieter

Mitte Juni 2023 hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag („ESG-Rating Verordnung“) zur Regulierung von ESG-Rating Anbietern veröffentlicht. In diesem Beitrag schauen wir uns näher an, warum eine Regulierung von ESG-Rating Anbietern erforderlich ist und wie die Regulierung aussehen soll.

Was sind ESG-Ratings überhaupt?

ESG-Ratings stellen eine Bewertung hinsichtlich der Nachhaltigkeitsmerkmale Umwelt, Soziales und Governance zur Verfügung. Sie bewerten z.B., wie ein Unternehmen oder ein Finanzprodukt gegenüber Nachhaltigkeitsmerkmalen exponiert ist oder welche Nachhaltigkeitsauswirkungen ein Unternehmen oder ein Finanzprodukt auf die Außenwelt hat. In der Regel bieten ESG-Rating Anbieter nicht nur die Ratings, sondern auch die den Ratings zugrunde liegenden ESG-Daten an.

Wie werden ESG-Ratings genutzt und warum sollen die Anbieter reguliert werden?

ESG-Ratings werden genutzt, um Nachhaltigkeitsrisiken einschätzen zu können. Anleger und Emittenten von Finanzprodukten nutzen ESG-Ratings zunehmend als Grundlage für eine fundierte und nachhaltige Investitions- oder Finanzierungsentscheidung. So kann ein Anleger bspw. anhand eines ESG-Rating beurteilen, ob Nachhaltigkeitsaspekte für ein Unternehmen, in das der Anleger investieren möchte, ein finanzielles Risiko darstellen oder ob das Unternehmen umgekehrt wesentliche Nachhaltigkeitsauswirkungen hat. Regulierte Institute nutzen ESG-Rating zudem häufig für das Screening von Anlagen (z.B. die Aufnahme oder den Ausschluss von Aktien in ein Portfolio oder ein Fonds), für die Analyse nach der Anlage (z.B. Bewertung der Nachhaltigkeit eines Anlageprodukts oder eines Fonds) oder für die Integration von ESG in Anlagestrategien. Zudem werden ESG-Ratings z.B. auch von Unternehmen genutzt, um operationelle Risiken zu berücksichtigen. Letztlich werden ESG-Ratings also für Investitionsentscheidungen und die Zuweisung von Kapital verwendet.

ESG-Ratings haben daher, ähnlich wie Bonitäts-Ratings, eine erhebliche Marktmacht und Einfluss auf das Funktionieren der Märkte. Von Anlegern und Verbrauchern wird ihnen häufig hohes Vertrauen entgegengebracht. Es ist zu erwarten, dass der Markt für ESG-Ratings in den kommenden Jahren weiter stark wachsen wird.  Ziel der angestrebten Regulierung ist es daher, die Transparenz der Methoden von ESG-Ratings zu erhöhen und die Integrität von ESG-Rating Anbietern, etwa durch die Vermeidung von Interessenskonflikten, sicherzustellen. Dadurch soll die Qualität der ESG-Ratings verbessert werden.

Was will die Regulierung nicht?

Die ESG-Rating Verordnung zielt nicht darauf ab, Ratingmethoden zu harmonieren. Anbieter von ESG-Ratings haben weiterhin die Kontrolle über die von ihnen genutzten Daten und verwendeten Methoden. Sie müssen diesbezüglich (zukünftig) nur transparent sein.

Für wen soll die Regulierung genau gelten?

Von der ESG-Rating Verordnung erfasst werden sollen ESG-Ratings, die von einem europäischen ESG-Rating Anbieter abgegeben und veröffentlicht oder an regulierte Finanzunternehmen geliefert werden. Nicht erfasst sein sollen hingegen z.B. von regulierten Unternehmen für rein interne Zwecke selbst erstellte ESG-Ratings (wohl z.B. eigene, im Rahmen des Risikomanagements entwickelte ESG-Ratings) oder die Bereitstellung von ESG-Rohdaten, die keine Bewertung und Modellierung erfahren haben.

Wie soll die Regulierung aussehen?

Das Anbieten von ESG-Ratings in der EU soll zukünftig einem Zulassungserfordernis durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – „ESMA“) unterliegen. Im Rahmen des Zulassungsantrags sind insbesondere die Gesellschafterstruktur des ESG-Rating Anbieters, die Eignung seiner Geschäftsführung sowie die für das Rating verwendeten Methoden darzulegen. Zugelassene ESG-Rating Anbieter sollen in einem ESMA-Register geführt werden.

Um die Integrität von ESG-Rating Tätigkeiten sicherzustellen, müssen die ESG-Rating Anbieter (i) ihre Unabhängigkeit sicherstellen und dürfen z.B. keine Beratungs- oder Anlagetätigkeiten ausüben, oder Referenzwerte entwickeln, (ii) sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter ausreichend qualifiziert und frei von Insiderkonflikten sind, (iii) über ihre Tätigkeiten Aufzeichnungen führen, (iv) Beschwerdeverfahren vorhalten, (v) Vorgaben für Auslagerungen beachten, (vi) Interessenkonflikte vermeiden und (vii) Transparenzanforderungen erfüllen und dazu auf ihrer Webseite insbesondere z.B. Informationen über die verwendeten Rating-Methoden, Datenprozesse und Datenquellen, die Gewichtung von den drei Faktoren Umwelt, Soziales, Governance und den Einsatz von KI veröffentlichen.

Wie stets im Aufsichtsrecht sind dazu eine klare Organisationsstruktur, Prozesse und Verfahren einschließlich verschriftliche Policies vorzuhalten und einer regelmäßigen Prüfung zu unterziehen.

Wer überwacht die Einhaltung der Vorgaben?

Die Beaufsichtigung der ESG-Rating Anbieter soll, wie bei den Kredit-Ratingagenturen auch, zentral durch die ESMA ausgeübt werden. Dazu sieht die ESG-Rating Verordnung die üblichen aufsichtlichen Befugnisse wie z.B. die Vorlage von Informationen, Vor-Ort Prüfungen sowie Sanktionen wie den Entzug der Zulassung oder der Verhängung von Geldbußen vor. Zur Durchführung von aufsichtlichen Maßnahmen kann die ESMA allerdings auf die nationalen Aufsichtsbehörden zurückgreifen.

Ausblick und Fazit

Die ESG-Rating Verordnung befindet sich derzeit noch im Entwurf und nimmt nun ihren Weg durch das weitere Gesetzgebungsverfahren; EU-Parlament und der Rat müssen noch zustimmen. Änderungen am derzeitigen Entwurf sind daher noch möglich. Geplant ist wohl, dass die Verordnung in der zweiten Hälfte von 2024 in Kraft tritt. Insgesamt erscheint eine Regulierung mit dem erklärten Ziel einer gesteigerten Transparenz hinsichtlich der für das ESG-Rating verwendeten Daten und Methoden vor dem Hintergrund ihre wohl noch weiter zunehmenden Marktmacht durchaus begrüßenswert.

Ein Update zur EU Nachhaltigkeitsregulierung des Finanzmarktes

Diesen Sommer geht es bisher Schlag auf Schlag und es gibt zahlreiche Updates zur EU Nachhaltigkeitsregulierung des Finanzmarktes. In diesem Beitrag wollen wir einen Überblick geben, was im Juni und Juli 2023 so alles passiert ist und welche Gesetzesvorhaben noch anstehen.

  • EU Sustainable Finance Package

Im Rahmen des EU Sustainable Finance Package hat die EU-Kommission technische Bewertungskriterien für die bislang noch nicht konkretisierten vier Umweltziele der Taxonomie-Verordnung (Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung, Biodiversität und Ökosysteme) grundsätzlich genehmigt. Sie müssen nun noch dem EU Parlament und Rat zur Prüfung übermittelt werden. Voraussichtlich ab Januar 2024 sollen sie dann gelten. 

Zudem wurden Ergänzungen zu den bereits bestehenden Konkretisierungen (Klimaschutz, Anpassung an Klimawandel) vorgenommen, mit denen bisher nicht berücksichtigte Wirtschaftstätigkeiten, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen, ausgeweitet werden, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe und im Verkehrssektor.

Ein weiterer zentraler Punkt ist der Entwurf einer Regulierung für ESG Rating Anbieter. ESG Ratings spielen eine wichtige Rolle, denn sie sind häufig Informationsquelle für z.B. Anlagestrategien und Risikomanagementaspekte. Mit der neuen Verordnung soll die Zuverlässigkeit und Transparenz von ESG-Ratings verbessert werden und ESG-Ratinganbieter, die in der EU ihre Dienstleistungen anbieten, von der ESMA zugelassen und beaufsichtigt werden.

  •  Auslegung der Taxonomie-Verordnung

Die EU-Kommission hat eine Bekanntmachung zur Auslegung bestimmter Regelungen der Taxonomie und zu ihrem Zusammenspiel mit der SFDR veröffentlicht. Interessant ist hier vor allem die Klarstellung zu der Frage, ob Taxonomie-konforme Investitionen als nachhaltige Investitionen i.S.d. SFDR gelten. Es wird klargestellt, dass nachhaltige Investitionen i.S.d. SFDR (Beitrag zu einem Umwelt-/Sozialziel, keine Beeinträchtigung der Ziele und Mindeststandard gute Unternehmensführung) Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftätigkeiten umfasst. Denn ökologisch nachhaltig i.S.d. Taxonomie ist eine Tätigkeit per definitionem nur, wenn neben einem Beitrag zu einem Umweltziel und der fehlenden Beeinträchtigung der anderen Ziele auch Mindeststandards der guten Unternehmensführung eingehalten werden. Ökologisch nachhaltige Tätigkeiten i.S.d. Taxonomie erfüllen also die Kriterien der nachhaltigen Investition der SFDR. Dass diese beiden Begrifflichkeiten (handwerklich) noch nicht richtig synchronisiert sind, ist äußerst bedauerlich (hier soll aber vom EU-Gesetzgeber wohl noch Abhilfe geschaffen werden).

  • CSRD Reporting Standards

Veröffentlicht wurde zudem ein erster Entwurf zu Reporting Standards unter der CSRD. Zur Erinnerung: die CSRD gilt grds. auch für Unternehmen des Finanzmarktes.

  • ESMA Call for Evidence zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen

Die ESMA hat einen Call for Evidence zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden im Rahmen der MiFID II-Pflichten veröffentlicht. Durch die Sammlung von Branchenfeedback soll die Entwicklung des Marktes sowie die Umsetzung der Anforderungen an die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden besser verstanden werden. Input ist bis September 23 möglich.

  • BaFin Nachhaltigkeitsstrategie

Die BaFin hat ihre Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlicht. Die Einhaltung der ESG-Regulierung ist ein Aufsichtsschwerpunkt. Verhinderung von Greenwashing ist dabei ein wesentlicher Treiber. Der Verbraucherschutz bleibt also weiter im Fokus. Durch die BaFin kontrolliert wird insbesondere die Einhaltung der SFDR und die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden im Rahmen des Vertriebs. Im Rahmen der Bilanzkontrolle wird die Einhaltung der CSRD überwacht. ESG-Risiken sind im Risikomanagement zu berücksichtigten. Je besser die Datenlage, insbesondere durch Inkrafttreten der CSRD, wird, desto besser können ESG-Risiken auch eingeschätzt werden. Wie stets übt die BaFin auch ihre Aufsicht im Nachhaltigkeitsbereich risikoorientiert aus.

  • Stand der Umsetzung der Nachhaltigkeitsregulierung im Fondsbereich

Wie weit die Umsetzung der Nachhaltigkeitsregulierung im Fondsbereich ist, werden die ESMA und die nationalen Aufsichtsbehörden in einer Common Supervisory Action genauer erheben. Ziel ist, die Einhaltung der Bestimmungen der SFDR und der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement zu bewerten. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, einen EU-weit einheitlichen Aufsichtsstandard zu fördern, Verbesserungspotenzial der bestehenden Regulierung zu benennen und Greenwashing-Risiken konkreter zu identifizieren.

  • Update BaFin FAQ zur SFDR und Ausfüllhinweise zu SFDR Templates

Die BaFin hat ihre FAQ zur SFDR abermals aktualisiert. Neu stellt sie auch Ausfüllhinweise zu den vorvertraglichen Templates zu Art. 8 und Art. 9 SFDR zur Verfügung.

  • Und sonst?

Ausstehend ist insbesondere noch eine verbindliche Produktregulierung zu ESG- und Impact-Fonds. Details zu einem ersten Entwurf der ESMA gibt es hier zum Nachlesen. Hierzu soll wohl in Q3 2023 ein Update kommen. Da die SFDR zudem nie als Produktlabel gedacht war, wird es wohl auch noch (weitere) EU-Regelungen zum ESG-Labeling geben. Weiter auf sich warten lässt die Ergänzung der Taxonomie zu den sozialen Zielen. Der Fokus liegt aber zunächst auf der Weiterentwicklung des bestehenden Regelwerks zur ökologischen Nachhaltigkeit.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz oder: Immobilienfonds dürfen Infrastruktur

Mitte April 2023 wurde der Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) veröffentlicht. Mit dem ZuFinG soll die Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen sichergestellt, also Kapital in z.B. Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie gelenkt werden. Einen Beitrag dazu soll der kapitalträchtige Fondsmarkt leisten. In diesem Blog schauen wir uns an, wie Fonds bisher schon in Infrastrukturprojekte investieren dürfen und welchen Neuerungen das ZuFinG bringen wird.

1. Wie können Fonds bisher schon in Infrastruktur-Projekte investieren?

Nach der derzeitigen Rechtslage können bestimmte Fonds Beteiligungen an Infrastruktur-Projektgesellschaften erwerben. Infrastruktur-Projektgesellschaften sind Gesellschaften, die dem Gemeinwesen dienende Einrichtungen, Anlagen oder Bauwerke errichten, sanieren, betreiben oder bewirtschaften. Derzeit können Fonds also nur indirekt in Infrastrukturprojekte investieren, ein Direkterwerb ist nicht möglich.

2. Was wird zukünftig möglich sein?

Neuerungen gibt es nach dem ZuFinG für (i) Immobilien-Sondervermögen, (ii) Infrastruktur-Sondervermögen und (ii) Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen. Schauen wir uns das im Einzelnen genauer an.

a) Immobilien-Sondervermögen: Neuer Anlagegegenstand und Erweiterung Bewirtschaftungsgegenstände

Zukünftig dürfen offene Publikumsfonds in Form von Immobilien-Sondervermögen (§§ 230 ff KAGB)unbebaute Grundstücke erwerben, die für die Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen bestimmt und geeignet sind. Eine Bebauung des Grundstücks mit einem Gebäude ist nicht notwendig. Damit wird es möglich, in Erneuerbare-Energien-Anlagen auch dann zu investieren, wenn kein unmittelbarer baulicher Zusammenhang mit einem Gebäude besteht (sog. Freiflächenanlagen). Erworben werden können zukünftig also explizit Grundstücke, auf denen sich nur Freiflächenanlagen befinden bzw. befinden sollen.

Um den Charakter des Immobilienfonds zu wahren, muss aber weiterhin ein gewisser Grundstücksbezug des Fondsinvestments erhalten bleiben. Anlagen, die sich auf Grundstücken ohne Bezug zum Immobilienfonds befinden, dürfen daher nicht erworben werden.  Zudem soll der Erwerb von Erneuerbare-Energie-Anlagen auch nicht zum Hauptzweck des Immobilienfonds werden. Angemessen ist eine Beimischung, sodass eine Anlagegrenze von 15% des Wertes des Fonds vorgesehen ist.

Was ist mit Aufdachanlagen und E-Ladestationen?

Schon nach der bisherigen Rechtslage durften Aufdachanlagen oder sonstige Anlagen, die in einem gewissen baulichen Zusammenhang mit einem Gebäude stehen (z.B. E-Ladestationen), (wohl) als Bewirtschaftungsgegenstand von dem Fonds für sein Gebäude erworben werden; aber nur dann, wenn die von der Anlage produzierte Energie für das Gebäude benötigt oder von dessen Mietern abgenommen wurde. Mit dem ZuFinG wird nun klargestellt, dass Aufdachanlagen und E-Ladestationen auch dann als Bewirtschaftungsgegenstand vom Fonds erworben werden dürfen, wenn sie mehr Energie produzieren, als für das Gebäude benötigt wird oder von dessen Mietern nicht abgenommen wird.

Die Klarstellung erweitert damit den Begriff des Bewirtschaftungsgegenstandes. Auch wenn Aufdachanlagen, die mehr Energie produzieren, als vom Fonds-Gebäude oder dessen Mietern benötigt wird, und E-Ladestationen in einem strengen technischen Sinne nicht für das Gebäude erforderlich sind, dürfen sie nunmehr erworben werden. Diese Klarstellung ist zu begrüßen, denn nur so kann den geänderten Marktansprüchen an die technische Gebäudeausstattung entsprochen werden und der Immobilienfonds damit wettbewerbsfähig bleiben.

Was ist mit dem Betrieb von Freiflächenanlagen, Aufdachanlagen und E-Ladestationen?

Klargestellt wird schließlich auch, dass Freiflächenanlagen, Aufdachanlagen und E-Ladestationen vom Immobilienfonds betrieben werden dürfen, ohne dass der Fonds dadurch seinen vermögensverwaltenden Charakter verliert und sich zu einem operativ tätigen Unternehmen wandelt. Der Betrieb schließt dabei ausdrücklich auch den Verkauf von Strom mit ein.

b) Infrastruktur-Sondervermögen und Spezial-AIF: Erweiterung Anlagekatalog

Zukünftig dürfen offene Publikumsfonds in Form von Infrastruktur-Sondervermögen (§§ 260a ff KAGB) und offene Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen (§ 284 KAGB) direkt in Erneuerbare-Energien-Anlagen investieren. Bisher war nur der indirekte Erwerb über Infrastruktur-Projektgesellschaften möglich. Anders als bei Immobilienfonds ist bei Infrastrukturfonds ein Bezug der Erneuerbaren-Energien-Anlage zu einem Fondsgrundstück nicht erforderlich.

3. Zeitplan und Fazit

Geplant ist, dass das Gesetzgebungsverfahren zum ZuFinG Ende 2023 abschlossen ist. Mit wesentlichen Änderungen der Entwurfsfassung des ZuFinG ist derzeit nicht zu rechnen. Die geplanten Änderungen eröffnen gerade Immobilienfonds neue Anlageoptionen und tragen den aktuellen Ansprüchen an die technische Ausstattung eines Gebäudes Rechnung. Das beträchtliche Potential des Fondsmarktes, einen finanziellen Beitrag zur Energiewende zu leisten, wird mit dem ZuFinG weiter ausgeschöpft.

Kontoinformationsdienste und Finanztransfergeschäft – BaFin aktualisiert ihre Verwaltungspraxis zum ZAG

Mitte Februar hat die BaFin das Merkblatt zum ZAG und mithin ihre Verwaltungspraxis aktualisiert. Für die Praxis erfreuliche Klarstellungen hat sie insbesondere zu Kontoinformationsdiensten (Account Information Services – AIS) und dem Finanztransfergeschäft aufgenommen. Darauf wollen wir einen genaueren Blick werfen.

AIS nur mit Kundencredentials

AIS sind Online-Dienste zur Mitteilung konsolidierter Informationen über ein Zahlungskonto des AIS-Nutzers, das er bei seiner Bank führt. Allgemein bekannt sind z.B. Apps, mit denen man als Kontoinhaberin z.B. monatliche Ausgaben in verschiedene Kategorien, z.B. Versicherungen, Lebensmittel etc., einteilen und graphisch aufbereitet darstellen lassen kann.

Sehr zu begrüßen ist, dass die BaFin nun ausdrücklich klarstellt, dass AIS nur erbracht werden, wenn der Zahlungsdienstleister vom Kunden dessen Kontozugangsdaten (sog. Credentials, z.B. PIN, TAN) erhält und mit diesen auf das Konto des Kunden zugreifen kann. Nicht als AIS zu qualifizieren sind daher Dienste, bei denen dem Kunden zwar (weiterverarbeitete) Kontoinformationen zur Verfügung gestellt werden, der Kontozugriff aber nicht mittels der Kundencredentials erfolgt. Keine AIS sind daher Dienstleistungen, bei denen der Kontozugriff des Dienstleisters aufgrund einer Vollmacht erfolgt, auf deren Grundlage er vom kontoführenden Institut des Kunden eigene Credentials für den Kontozugriff erhält. In diesen Fällen kann der Kontoinhaber sein Schutzbedürfnis hinsichtlich eines nicht ausufernden Zugriffs auf sein Konto bereits mit der von ihm erteilten Vollmacht regeln und braucht nicht den Schutz einer ZAG-Regulierung.

Für den klassischen AIS, der sich an eine Vielzahl von Kunden richtet und häufig via App zur Verfügung gestellt wird, wird die Vollmachtslösung aber weiterhin keine Option sein. Der Anwendungsbereich des erlaubnispflichtigen AIS wird durch die Klarstellung der BaFin daher nicht kleiner werden. Der Grund ist schlicht, dass für klassische AIS via App individuelle Kontovollmachten von einer Vielzahl von Nutzern schlicht nicht praktikabel sind. Zudem ist äußert fraglich, ob der klassische AIS-App Nutzer dem Dienstleister eigene Zugangscredentials auf sein Konto einräumen würde. Die Vollmacht wird daher weiterhin nur eine Lösung für individuellere Dienstleistungen sein, bei denen nur wenigen, ausgewählten Personen Zugriff auf das Konto gewährt werden soll.

Auch beim Finanztransfergeschäft gibt es eine Vollmachtslösung…

Beim Finanztransfergeschäft wird der Zahlungsdienstleister als Bote für Zahlungen zwischen Zahler und Zahlungsempfänger tätig; die Gelder fließen in der Regel über ein Treuhandkonto des Dienstleisters, der damit Zugriff auf für ihn rechtlich fremde Gelder erhält. Das Finanztransfergeschäft ist ein Zahlungsdienst, bei dem der Zahlungsdienstleister selbst kein Zahlungskonto für seinen Kunden führt.

Erlaubnispflichtiges Finanztransfergeschäft wird auch dann schon erbracht, wenn der Zahlungsdienstleister an ein Konto des Kunden (nur) anknüpft, das dieser bei seiner Bank führt, etwa, indem er sich eine entsprechende Vollmacht einräumen lässt. Durch die Nutzung der Vollmacht erhält der Zahlungsdienstleister eigenständige Befugnisse für Geldtransfers und damit Zugriff auf fremde Gelder, was ein ureigenes Merkmal des Finanztransfergeschäfts ist.

Ist die Vollmacht aber eng genug ausgestaltet und werden damit die Zugriffsrechte des Zahlungsdienstleisters eingeschränkt, besteht, ähnlich wie im Rahmen der AIS, kein aufsichtsrechtliches Schutzbedürfnis. Die BaFin geht von einer ausreichend engen Vollmacht aus, wenn sie bedingungslos und jederzeit widerruflich ist, die Verfügungsmacht des Kontoinhabers über sein Konto unbeschränkt bleibt, konkret die vom Dienstleister zu erbringengen, zahlungsbezogenen Dienstleistungen benennt und offenkundig kein geldwäscherechtliches Risiko besteht.

Die Verwaltungspraxis der BaFin sollte aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass bei einer Vollmachtslösung nie erlaubnispflichtiges Finanztransfergeschäft erbracht werden kann. Umgehungen des erlaubnispflichtigen Finanztransfergeschäfts über die Vollmachtslösung beugt die BaFin vor, indem sie weiterhin prüft, ob wirtschaftlich ein Bezahlverfahren etabliert wird. Ist das der Fall, wird, trotz Vollmachtslösung, Finanztransfergeschäft erbracht; es besteht weiterhin ein Aufsichtsbedürfnis.

… und eine Klarstellung zum Umfang der Inkasso-Ausnahme

Schließlich ist es sehr zu begrüßen, dass die BaFin wieder ausführlicher ihr Verständnis der sog. Inkasso-Ausnahme in ihr Merkblatt aufnimmt. Die Inkassotätigkeit ist im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) definiert als die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Dafür ist eine Registrierung unter dem RDG erforderlich. Weil ein Forderungseinzug je nach konkreter Ausgestaltung der Tätigkeit grundsätzlich auch ein Zahlungsdienst im Sinne des ZAG darstellen kann, bestand hier schon immer das Erfordernis einer Einzelfallprüfung, ob die konkrete Tätigkeit (auch) eine ZAG-Erlaubnis erfordert.

Bereits in ihrem ZAG-Merkblatt unter der PSD1 hatte die BaFin ausgeführt, dass nur bestimmte Inkassotätigkeiten kein Finanztransfergeschäft darstellen sollen. Das galt insbesondere für die Beitreibung von Forderungen in Form von Mahn- und Vollstreckungsaktivitäten sowie der gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen. Implizit galt damit auch schon unter der PSD1, dass nur die Beitreibung zahlungsgestörter Forderungen (nur für diese ist z.B. ein Mahn- und Vollstreckungsverfahren überhaupt notwendig) kein Finanztransfergeschäft darstellt. Im bisherigen Merkblatt zum ZAG unter der PSD2 war dann auch nur noch ein kurzer Hinweis enthalten, dass nur die Eintreibung nicht bezahlter, also zahlungsgestörter Forderungen kein Zahlungsdienst darstellt. Diese Verkürzung hat leider teilweise zu dem Missverständnis geführt, dass bei sämtlichen, wie auch immer gestalteten Tätigkeiten der Forderungseintreibung (Inkasso) kein Zahlungsdienst und insbesondere kein Finanztransfergeschäft vorliegen kann und eine ZAG-Erlaubnis von vornherein ausscheidet.

Nun stellt die BaFin wieder ausdrücklich klar, dass nur Inkassotätigkeiten bzgl. zahlungsgestörter Forderungen, also Mahn- und Vollstreckungsaktivitäten sowie die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen, keinen Zahlungsdienst darstellen. Bei Geschäftstätigkeiten, die umfangreicher in die Forderungsabwicklung eingebunden sind, sich etwa um die Abwicklung schlicht rechtzeitig bezahlter Forderungen kümmern, ist weiterhin zu prüfen, ob im Einzelfall eine ZAG-Erlaubnis erforderlich ist.

Fazit

AIS und Finanztransfergeschäft sind Zahlungsdienste, die häufiger mal unbemerkt in Geschäftsmodellen von Dienstleistern „versteckt liegen“, die sich selbst gar nicht als Zahlungsdienstleister verstehen, deren Serviceleistung aber z.B. einen Kontozugriff oder die Abwicklung von Zahlungen beinhaltet.  Die BaFin zeigt mit ihren Aktualisierungen nun deutlich den Rahmen für erlaubnispflichtige AIS und erlaubnispflichtiges Finanztransfergeschäft auf und trägt damit zu mehr Rechtsverständnis und -klarheit bei der aufsichtsrechtlichen Einordnung von Geschäftsmodellen bei.

Neue FAQ zur Taxonomie-Verordnung

Ende 2022 hat die EU-Kommission den Entwurf eines FAQ-Dokuments zu den technischen Bewertungskriterien der Taxonomie-Verordnung veröffentlicht. Wir werfen einen genaueren Blick darauf und schauen uns an, warum die Einordnung einer Tätigkeit als nachhaltig unter der Taxonomie-Verordnung für Immobilienunternehmen, Finanzmarktteilnehmer und Anleger gleichermaßen wichtig ist.

Dogmatik zum Einstieg: Die FAQ als Level 3 Maßnahme

Die Taxonomie-Verordnung regelt EU-weit einheitlich, unter welchen Voraussetzungen eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig gilt. Dazu muss die Wirtschaftstätigkeit einen Beitrag zu einem Umweltziel (Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Schutz von Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung, Schutz der Biodiversität) leisten und darf keines dieser Ziele erheblich beeinträchtigen. EU-Verordnungen wie die Taxonomie-Verordnung werden als „oberster gesetzgeberischer Rahmen“ als Level 1 Maßnahme bezeichnet.

Zwei der genannten Umweltziele werden mithilfe von technischen Bewertungskriterien in Form einer Delegierten Verordnung (2021/2139) konkretisiert (die Konkretisierung der übrigen vier Ziele wird vom EU-Gesetzgeber noch ausgearbeitet). Delegierte Verordnungen werden, da sie Level 1 Maßnahme konkretisieren, häufig als Level 2 Maßnahmen bezeichnet. Für die Immobilienwirtschaft unterscheidet die Delegierte Verordnung insbesondere zwischen technischen Bewertungskriterien für (i) den Neubau, (ii) die Renovierung bestehender Gebäude und (iii) den Erwerb bzw. Eigentum an Gebäuden. Mit anderen Worten: Sie regelt, welche Bedingungen bei einem Neubau, bei einer Renovierung oder beim Erwerb eines Gebäudes erfüllt sein müssen, damit diese Tätigkeit als nachhaltig qualifiziert. Die Renovierung eines Gebäudes stellt z.B. eine nachhaltige Tätigkeit dar, wenn sie u.a. den Primärenergiebedarf des Gebäudes um 30% verringert.

Der nun von der EU-Kommission veröffentlichte FAQ-Entwurf greift in der Praxis gestellte Fragen zu den technischen Bewertungskriterien auf und beantwortet diese. Diese Guidance wird als Level 3 Maßnahme bezeichnet. Diese hat keinen Gesetzescharakter, ist aber in der Praxis wichtig, da hier häufig erst Detailfragen zur Auslegung und zum Verständnis des eigentlichen Gesetzestextes (Level 1) geklärt werden können.

Top 5 FAQ

Welche Konkretisierungen zu den technischen Bewertungskriterien für die Wirtschaftstätigkeit der Immobilienbranche halten die FAQ bereit? Nachfolgend unsere Top 5:

Allgemein

  • Zum Nachweis der Einhaltung der technischen Bewertungskriterien werden Bewertungssysteme wie das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB) von der Delegierten Verordnung zwar nicht erwähnt; sie können aber verwendet werden, soweit sie dazu geeignet sind.

Neubau

  • Die technischen Bewertungskriterien besagen, dass der Bau eines Gebäudes die Umweltziele nicht beeinträchtigt, wenn es u.a. nicht der Gewinnung, der Lagerung, Transport oder Herstellung von fossilen Brennstoffen dient. Das schließt aber nicht aus, dass ein Neubau, in dem geringe Mengen an Brennstoffen gelagert oder transportiert werden müssen, z. B. um das Funktionieren der Energieerzeugungsanlagen zu gewährleisten, Taxonomie-konform sein kann, wenn dieser einem anderen Zweck dient, z.B. Wohngebäude ist.

Renovierung

  • Renovierungen sind Taxonomie-konform, wenn u.a. der Wasserverbrauch für Sanitäranlagen, die im Rahmen der Renovierung installiert werden, bestimmte Verbrauchsmengen nicht überschreiten. Der Nachweis der Einhaltung der Verbrauchsgrenzen kann z.B. durch Produktblätter oder einer Gebäudezertifizierung erfolgen.

Erwerb

  • Für die Frage, wann das Eigentum an einem Gebäude als nachhaltig eingestuft werden kann, kommt es u.a. auf das Datum des Baus an. Maßgeblich ist hier das Datum der Baugenehmigung, nicht etwa das Datum der Fertigstellung oder Übergabe an den Bauherren.
  • Gebäude, die vor 2020 gebaut wurden, sind nachhaltig, wenn sie z.B. zu den oberen 15% des Gebäudebestandes bzgl. des Energiebedarfs gehören. Hierbei handelt es sich um eine dynamische Größe, für die es keinen Bestandsschutz gibt. Ändern sich die Kriterien oder wird den Kriterien nicht mehr entsprochen, muss neu bewertet werden, ob die Kriterien eingehalten werden und ggf. Maßnahmen ergriffen werden, um deren weitere Einhaltung sicherzustellen.

Warum sind die Konkretisierungen für die Immobilien-, die Finanzwirtschaft und Anleger gleichermaßen wichtig?

Für Unternehmen der Immobilienwirtschaft ist eine rechtssichere Anwendung der technischen Bewertungskriterien der Taxonomie-Verordnung wichtig, um korrekte Angaben darüber machen zu können, ob ihre Tätigkeit, sprich ein Immobilienvorhaben, nachhaltig im Sinne der Taxonomie ist.

Diese Information der Immobilienunternehmen sind wiederum für Finanzmarktteilnehmer wichtig, die über Finanzprodukte Investitionen in Immobilien anbieten, zum Beispiel in Form eines Immobilienfonds.  Zum einen unterliegen sie selbst nachhaltigkeitsbezogenen Transparenzpflichten bzgl. ihrer Finanzprodukte. Diese unterscheiden sich u.a. danach, ob einem Immobilienfonds nachhaltige Immobilien im Sinne der Taxonomie zugrunde liegen, oder nicht. Finanzmarktteilnehmer haben also schon aus eigenen Compliance-Gründen ein Interesse an diesen Informationen. Zum anderen sind diese Informationen vor allem aber für den potentiellen Investor eines Immobilienfonds interessant und werden diesem vom Finanzmarktteilnehmer, der den Immobilienfonds anbietet, auch mitgeteilt. Anlagen in nachhaltige Investments erfreuen sich derzeit großer Nachfrage und Beliebtheit. Die Nachhaltigkeitsinformationen zum Finanzprodukt können die Anlageentscheidung des Investors daher ganz erheblich beeinflussen und ein wichtiges Marketingtool für das Produkt sein.

Fazit

Die technischen Bewertungskriterien und die Level 3 Guidance dazu sind die maßgebliche Grundlage für die Nachhaltigkeitsinformationen, die vom Immobilienunternehmen über den Finanzmarktteilnehmer an den potentiellen Investor eines Immobilienfonds gelangen. Nur wenn die technischen Bewertungskriterien in der Praxis funktionieren, sind die Angaben korrekt und für den Investor für seine Anlageentscheidung hilfreich. Letztlich wird also durch eine saubere und rechtssichere Anwendung der technischen Bewertungskriterien Greenwashing verhindert. Das stärkt das Vertrauen der Anleger und hilft so, Kapital in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu lenken.

Update Nachhaltigkeitsregulierung – Was gibt es Neues?

In der Nachhaltigkeitsregulierung steckt derzeit selbst für das die Schnelllebigkeit gewohnte Finanzaufsichtsrecht viel Dynamik. In der Vergangenheit hatten wir bspw. schon über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die Richtlinie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) für nachhaltige Investmentvermögen und die technischen Regulierungsstandards zur EU-Transparenzverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – „SFDR“) berichtet. Doch was hat sich in der Zwischenzeit getan? Nachfolgend gibt es ein Update über ausgewählte aktuelle Entwicklungen der Nachhaltigkeitsregulierung.

1. Finale RTS zur SFDR

Die durch mehrere „Entwurfsrunden“ gegangenen technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards – „RTS“) liegen mittlerweile als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 in finaler Fassung vor (abrufbar hier). Die RTS zur SFDR konkretisieren insbesondere die Anforderungen an die Transparenzpflichten in vorvertraglichen Informationen, auf der Internetseite und in Jahresberichten. Die dazu in der Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 enthaltenen Vorlagen gelten ab dem 1. Januar 2023.

2. ESMA Sustainable Finance Timeline

Wer sich einen aktuellen Überblick über den zeitlichen Fahrplan der Nachhaltigkeitsregulierung verschaffen möchte, ist bei der Sustainable Finance Timeline der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – „ESMA“) vom 26. September 2022 gut aufgehoben.

3. BaFin Q&A zur SFDR

Zudem hat die BaFin am 5. September Q&A zur SFDR veröffentlicht. Ausgewählte Fragen und Antworten werden nachfolgen näher vorgestellt.

Die BaFin stellt nochmal ausdrücklich klar, dass Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO nicht nach der SFDR verpflichtet sind. Sie qualifizieren aufgrund der Bereichsausnahme des KWG (§ 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG) nicht als Finanzdienstleistungsinstitut und damit auch nicht als MiFID II-Wertpapierfirma; (nur) an diese richtet sich aber die SFDR.

Zudem wird zunehmend klarer, was genau unter „bewerben“ im Sinne des Art. 8 SFDR zu verstehen ist. Nach Art. 8 SFDR sind für Finanzprodukte, die ökologische oder soziale Merkmale bewerben, bestimmte vorvertragliche Transparenzpflichten zu erfüllen. Die BaFin legt „bewerben“ als „fördern“ aus. Das führt dazu, dass es für die Anwendbarkeit der Transparenzpflichten nach Art. 8 SFDR nicht erforderlich ist, dass für ein Finanzprodukt Werbung betreiben wird, z.B. in Form von Marketingmitteilungen. Umgekehrt wird Art. 8 SFDR nicht schon dadurch „ausgelöst“, dass lediglich angegeben wird, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen einbezogen werden (das ist vielmehr Grundinformation in vorvertraglichen Informationen für sämtliche Finanzprodukte, vgl. Art. 6 SFDR). Vielmehr muss das Finanzprodukt ökologische oder soziale Merkmale zielgerichtet fördern und dies nach außen kommunizieren. Dem Fördern können aktive oder passive Anlagestrategien zugrunde liegen. Ein zielgerichtetes Fördern von ökologischen Merkmalen könnte etwa bei einem Immobilienfonds vorliegen, der bei der Auswahl der Immobilien deren CO2-Fußabdruck berücksichtigt und dies entsprechend in der Fondsdokumentation verschriftlich ist.

4. Siebte MaRisk-Novelle

Bereits am 20.Dezember 2019 hat die BaFin ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Darin empfiehlt die BaFin eine strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken und eine Anpassung des Risikomanagements. Das Merkblatt enthält jedoch lediglich eine Zusammenstellung von unverbindlichen Verfahrensweisen (Good-Practice).

Mit der Konsultation zu den geplanten Änderungen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement („MaRisk“) sollen die Leitplanken des Merkblatts nunmehr in den Regelungstext der MaRisk aufgenommen. Die Anforderungen an die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement werden damit zu prüfungsrelevanten Anforderungen. Im Ergebnis sollen beaufsichtigte Unternehmen auch im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken einen ihrem Geschäftsmodell und Risikoprofil angemessenen Ansatz entwickeln. Dazu sind bisherige Prozesse anzupassen und neue Mess-, Steuerungs- und Risikominderungsinstrumente zu entwickeln. Auch hier gilt aber der Proportionalitätsgrundsatz, sodass bei einem schwächer ausgeprägtem Risikoprofil einfacherer Prozesse ausreichen werden.

Und sonst?

Derzeit arbeitet der europäische Gesetzgeber an der Erweiterung der Taxonomie-Verordnung zur Definition von sozialer Wirtschaftstätigkeit sowie Vorgaben zur guten Unternehmensführung; bisher deckt die Taxonomie-Verordnung nur die ökologische Nachhaltigkeit und damit nur das „E“ aus „ESG“ ab. Die EU Platform for Sustainable Finance hat dazu bereits im Februar diesen Jahres einen Final Report veröffentlicht.

Der Entwurf des BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen ist hingegen erstmal wieder zurückgestellt, zu dynamisch schien das derzeitige regulatorische Umfeld für eine finale Regelung. Gleichzeitig wird die BaFin aber ihre Verwaltungspraxis an dort genannten Grundsätzen ausrichten, sodass sich der Markt faktisch an der Richtlinie orientieren wird.

Es ist also Bewegung in der Nachhaltigkeitsregulierung und längst sind noch nicht alle Fragen der Praxis geklärt. Es bleibt daher, wie immer im Aufsichtsrecht, spannend.

Risikoreduzierungsgesetz: Die Umsetzung des EU-Bankenpakets

Zum Jahreswechsel wurden zahlreiche neue regulatorische Vorhaben veröffentlicht. Diese Woche starten wir mit der Vorstellung des sog. Risikoreduzierungsgesetzes, das (größtenteils) bereits Ende 2020 in Kraft getreten ist.

Das Risikoreduzierungsgesetz dient der Umsetzung des sog. EU-Bankenpakets und umfasst Änderungen der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation – nunmehr CRR II), der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive – nunmehr CRD V), der Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive – nunmehr BRRD II) und des einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism Regulation – nunmehr SRMR II). Die Anpassungen der EU-Verordnungen finden unmittelbar in den Mitgliedstaaten Anwendung; im Falle der angepassten EU-Richtlinien (CRD V und BRRD II) bedarf es hingegen einer Umsetzung in nationales Recht. Diese erfolgt für Deutschland mit dem Risikoreduzierungsgesetz (RiG).

Vorgesehen sind vor allem Anpassungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG). Dieser Beitrag konzentriert sich im Folgenden auf die Vorstellung ausgewählter Änderungen und Neuerungen im KWG.

Wesentliche Änderungen im KWG

  • Zulassungspflicht von Finanzholdinggesellschaften

Finanzholdinggesellschaften sind Finanzinstitute, dessen Tochterunternehmen ausschließlich bzw. hauptsächlich selbst Institute oder Finanzinstitute sind. Eine Finanzholdinggesellschaft kann also z.B. das Mutterunternehmen einer Bankengruppe sein. Die Anwendung aufsichtsrechtlicher Anforderungen beschränkt sich in einem solchen Fall nicht nur auf die Einzelebene der Tochterunternehmen, sondern erfolgt auf konsolidierter Ebene. Zukünftig sieht das KWG für Finanzholdinggesellschaften, die an der Spitze einer Gruppe stehen und für die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Gruppenebene verantwortlich sind, eine Zulassungspflicht vor. Die Finanzholdinggesellschaft selbst wird damit verpflichtet, die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf Gruppenebene sicherzustellen, nur dann wird die Zulassung erteilt. Das ist sachgerecht, da es für die von der Holdinggesellschaft kontrollierten (Tochter-)Institute in der Regel eher schwierig ist, die Einhaltung von aufsichtlichen Anforderungen innerhalb der ganzen Gruppe sicherzustellen. Die neuen Regelungen im KWG legen im Detail fest, welche Informationen und Unterlagen im Rahmen des Zulassungsverfahrens einzureichen sind sowie die konkreten Voraussetzungen, die für die Erteilung der Zulassung zu erfüllen sind. Die Zulassungspflicht gilt grundsätzlich ab Inkrafttreten des RiG, also bereit ab Ende 2020. Für bereits am 27. Juni 2019 bestehende Finanzholding-Gesellschaften gilt allerdings insoweit eine Übergangsregelung als eine Zulassung erst bis Ende Juni 2021 beantragt werden muss. Dies stellt aber lediglich eine Verfahrenserleichterung dar; während des Übergangszeitraums stehen der Aufsicht alle aufsichtsrechtlichen Befugnisse zu, die auch gegenüber zugelassenen Finanzholdinggesellschaften bestehen.

  • Einrichtung eines Intermediate EU Parent Undertaking

Neu eingeführt wird auch die Pflicht zur Einrichtung eines zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmens (Intermediate EU Parent Undertaking – IPU). Dies gilt für Drittstaatenbankengruppen, also wenn zwei oder mehr CRR-Institute mit Sitz im EWR das gleiche Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat haben und der Gesamtwert der Vermögenswerte der Drittstaatengruppe innerhalb des EWR 40 Mrd. Euro übersteigt. Das IPU muss grundsätzlich ein CRR-Kreditinstitut oder eine Finanzholding-Gesellschaft sein, die über eine entsprechende Zulassung verfügt (s.o.); Wertpapierfirmen können nur in bestimmten Fällen als IPU qualifizieren. Mit der Einrichtung eines IPU soll erreicht werden, die Aufsicht über eine Drittstaaten-Bankengruppe, die in der EU tätig ist, zu erleichtern. Die Verpflichtung zur Einrichtung eines IPU gilt grundsätzlich ab Inkrafttreten des RiG, also bereits ab Ende 2020. Für Drittstaaten-Bankengruppen, die bereits am 27. Juni 2019 mit mehr als einem Institut in der EU vertreten waren und deren Vermögenswerte die 40 Mrd. zu diesem Zeitpunkt überschritten haben, gilt allerdings eine Übergangsregelung; sie müssen bis Ende Dezember 2023 über ein IPU verfügen.

  • Anpassung der Organkreditvorschriften

Die sog. Organkreditvorschriften des KWG enthalten Regelungen, wonach Kreditvergaben an bestimmte Personengruppen eines einstimmigen Beschlusses der Geschäftsleiter des Instituts bedürfen. Damit soll Interessenkonflikten bei der Kreditvergabe vorgebeugt werden. Erfasst sind derzeit etwa Kreditvergaben an die Geschäftsleiter selbst, die Mitglieder des Aufsichtsorgans sowie ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder. Das RiG schärft hier nach und erweitert den Kreis der Personen, auf die die besonderen Beschlussfassungspflichten anzuwenden sind; nunmehr ist auch die Kreditvergabe an Elternteile und volljährige Kinder von Geschäftsleitern oder Mitgliedern des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats erfasst. Auch hier sollen Interessenskonflikte bei der Kreditvergabe im „engsten Familienkreis“ vermieden werden.

  • Vergütungsregelungen und einheitliche Definition eines bedeutenden Instituts

Im Bereich der Vergütungsregelungen gibt es hinsichtlich der Risikoträgeridentifikation und der geschlechtsneutralen Vergütung neue Regelungen. Bislang galt diese Verpflichtung zur Risikoträgeridentifikation nur für bedeutende Institute. Nunmehr ist sie von allen CRR-Instituten sowie Instituten, die zwar kein CRR-Institut, aber ein bedeutendes Institut sind, durchzuführen. Die Definition eines bedeutenden Instituts wird durch das RiG ebenfalls nunmehr einheitlich im Rahmen der Begriffsbestimmungen geregelt. Hintergrund der Identifizierungspflicht von Risikoträgern ist, dass die Vergütungssysteme, die auf sie angewendet werden, besonderen Anforderungen unterliegen, die im Detail in der Institutsvergütungsverordnung geregelt sind. Zudem wird das Prinzip der geschlechtsneutralen Vergütung ausdrücklich für die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eines Instituts aufgenommen. Eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts ist unzulässig.

  • Corporate Governance

Im Bereich Corporate Governance enthält das RiG vor allem Regelungen zur Eignung von Geschäftsleitern und Organmitgliedern. Die Verantwortung zur anfänglichen und fortbestehenden Eignung von Organmitgliedern für ihre jeweilige Position liegt bei dem Institut. Liegen Tatsachen vor, die erhebliche Auswirkungen auf die ursprüngliche Beurteilung der Zuverlässigkeit und Eignung haben, wird nunmehr klargestellt, dass diese unverzüglich von den Instituten anzuzeigen sind. Zudem ist das Ergebnis der Beurteilung der Eignungsanforderungen durch das anzeigende Institut mitzuteilen. Ferner wird geregelt, dass die Geschäftsleiter in ihrer Gesamtheit über ein angemessen breites Spektrum von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen müssen, die zum Verständnis der Tätigkeiten des Instituts einschließlich seiner Hauptrisiken notwendig sind. Jedes einzelne Mitglied der Geschäftsleitung muss aber nach wie vor die zur Erfüllung seiner jeweiligen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen. Weitere Informationen hierzu sind im überarbeiteten Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu den Geschäftsleitern und den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen enthalten, die bereits entsprechend Ende Dezember 2020 angepasst wurden.

Übergangsvorschriften für Wertpapierfirmen

Wertpapierfirmen werden ab Mitte 2021 grundsätzlich nicht mehr den KWG-Regelungen, sondern einem eigenen Regelungsregime unterliegen; darüber haben wir bereits hier ausführlich berichtet. Die Änderungen, die aufgrund des RiG im KWG erforderlich werden, gelten deshalb in dem Übergangszeitraum nach Inkrafttreten des RiG (Ende 2020) und vor dem Inkrafttreten des neuen Aufsichtsregimes (Juni 2021) nicht für Wertpapierfirmen. Für sie gelten weiterhin die Vorschriften des KWG in der vor Inkrafttreten des RiG gültigen Fassung. Eine Ausnahme gilt insoweit nur für die Verpflichtung der Einrichtung eines IPU.

Ausblick

Mit der Umsetzung des EU-Bankenpakets ist ein weiterer wichtiger Regulierungsabschnitt zur Reduzierung der Risiken im Bankensektor abgearbeitet. Aber nach der Regulierung ist vor der Regulierung und die EU-Kommission arbeitet bereits an den Entwürfen der CRR III und CRD VI, mit denen die Umsetzung des finalen Basel III-Pakets von 2017 erfolgen soll. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise wurde dessen Umsetzung um ein Jahr auf Januar 2023 verschoben.

Mehr Verbraucherschutz bei Wertpapierdienstleistungen: BaFin konsultiert Änderungen der MaComp

Ende April 2020 hat die BaFin neue Abschnitte des Rundschreibens zu den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) zur Konsultation gestellt (abrufbar hier). Stellungnahmen sind bis Mitte Juni diesen Jahres möglich. Die MaComp geben den beaufs ichtigten Wertpapierdienstleistungsunternehmen Orientierung bei der praktischen Umsetzung der gesetzlichen Regelungen für den Bereich der Wohlverhaltensregelungen.

Zunächst ist eine Ergänzung im Modul der MaComp zu den Anforderungen an redliche und nicht irreführende Informationen (Modul BT 3) geplant. Weiter wird das Modul zur Geeignetheitserklärung (Modul BT 6) um Aussagen zum Inhalt der Geeignetheitserklärung ergänzt. Im Folgenden stellen wir die aktuellen Änderungen und Ergänzungen vor.

Redliche und nicht irreführende Informationen

Nach den Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) müssen alle Informationen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Kunden zugänglich machen, redlich und eindeutig sein und dürfen nicht irreführend sein. Ein Teilaspekt davon ist, dass Informationen in ausreichendem Umfang und in verständlicher Darstellung dem Kunden zur Verfügung gestellt werden. Detaillierte Vorgaben dazu enthält das Modul BT 3 der MaComp.

Das Modul wird um einen neuen Passus zur angemessenen Kundenaufklärung bei der indikativen Orderwertberechnung im Rahmen der Verwendung von Online-Brokerage-Tools ergänzt. Beseht bei der Verwendung dieser Tools die Möglichkeit, dass der dem Kunden angezeigte indikative bzw. vorläufige Orderwert von späteren tatsächlichen Ausführungspreis erheblich abweicht, ist der Kunde darauf in ausreichender und verständlicher Weise hinzuweisen. Zusätzlich ist der Hinweis auf die Möglichkeit einer Limitierung des Auftrags, die eine Ausführung der Order zu einem erheblich höheren Preis als vom Kunden gewollt, verhindert, sinnvoll. Für beides enthält der neu angefügte Abschnitt der MaComp Formulierungsbeispiele für die Unternehmen.

Geeignetheitserklärung: Anforderungen an den Inhalt

Zudem müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach den Regelungen des WpHG, insbesondere im Rahmen der Anlageberatung, Informationen von ihren Kunden einholen, um prüfen zu können, welche Finanzinstrumente für den jeweiligen Kunden geeignet sind (Geeignetheitsprüfung). Das sind z.B. Informationen über die Vorkenntnisse des Kunden, seinen finanziellen Verhältnissen und seinen Anlagezielen. Vor dem jeweiligen Vertragsabschluss muss das Unternehmen die Geeignetheit des jeweiligen Produktes gegenüber dem Kunden erklären (Geeignetheitserklärung). Die Geeignetheitserklärung muss dabei die konkrete Beratungsleistung nennen und erläutern, wie sie auf die Kundenmerkmale (z.B. Anlageziele) abgestimmt ist.

Das neue Modul zum BT 6 der MaComp enthält detaillierte Vorgaben zu dem Inhalt dieser Geeignetheitserklärung. Wichtig ist, dass sie eine Begründung enthält, warum das Unternehmen die Geeignetheit des in Rede stehenden Finanzproduktes annimmt – also inwiefern die Anlageempfehlung auf die jeweiligen Kundenmerkmale abgestimmt wurde. Dies erfordert einen qualitativen Abgleich der Eigenschaften des Finanzinstruments mit den Kundenmerkmalen. Das Unternehmen muss also z.B. prüfen, ob und dass die vom Kunden gewünschte Anlagedauer mit der (Rest)Laufzeit des Produktes im Einklang steht und diese Übereinstimmung dem Kunden gegenüber erklären. Eine pauschale Behauptung, dass die Empfehlung den Merkmalen des Kunden entsprechen, ohne wertende Komponente, kann dagegen in keinem Fall ausreichend sein. Die MaComp enthält zahlreiche (positive wie negative)  Formulierungsbeispiele für diverse Kundenmerkmale (Anlagedauer, Risikobereitschaft, Kenntnisse und Erfahrungen, finanzielle Verhältnisse und Anlagezweck), die die Unternehmen zur Darlegung ihrer Prüfung in der Geeignetheitserklärung verwenden können.

Wertpapierdienstleister müssen zudem ihre Verkaufsempfehlung an ihren Kunden dokumentieren. Diese muss alle Kundenmerkmale enthalten, aufgrund derer das entsprechende Finanzinstrument dem Kunden zum Kauf empfohlen wurde. Auch hierfür enthält die MaComp nunmehr positive und negative Formulierungsbeispiele.

Fazit

Sowohl redliche, nicht irreführende Kundeninformationen als auch eine korrekte und vollständige Geeignetheitserklärung sind wesentliche Elemente des Verbraucherschutzes im Rahmen von Wertpapierdienstleistungen im Allgemeinen und der Anlageberatung im Speziellen. Durch die aktuellen Ergänzungen der MaComp stärkt die BaFin abermals den Verbraucher- und Kundenschutz. Für den Markt dürften die Ergänzungen insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen Formulierungsbeispiele hilfreich sein.

BaFin konsultiert Änderungen des Rundschreibens zu den Aufgaben und Pflichten der Verwahrstelle

Mitte März 2020 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihr überarbeitetes Rundschreiben zu den Aufgaben und Pflichten der Verwahrstelle nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) zur Konsultation gestellt (abrufbar hier). Stellungnahmen sind bis Mittel April 2020 möglich; aufgrund der Corona-Krise erscheint allerdings eine Verlängerung der Konsultationsfrist möglich. Die Überarbeitung des Rundschreibens erfolgt im Rahmen der Umsetzung der OGAW-V-Richtlinie und anlässlich des Inkrafttretens der Delegierten Verordnung (EU) 2016/438 (OGAW Level-2-VO), die die OGAW-Richtlinie in Bezug auf die Pflichten von Verwahrstellen ergänzt.

Im Folgenden stellen wir die grundsätzliche Funktion von Verwahrstellen zunächst im Überblick dar, bevor wir die wichtigsten Ergänzungen, die das Rundschreiben erfahren soll, zusammenfassen.

Aufgabe von Verwahrstellen: Anlegerschutz

Ein wesentliches Prinzip des Kapitalanlagerechts zum Zwecke des Anlegerschutzes ist die Trennung von Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) und Verwahrstellen. Die KVG trifft vor allem die Entscheidung, wie das Fondsvermögen angelegt wird. Die Verwahrstelle nimmt hingegen eine Kontrollfunktion wahr. In erster Linie verwahrt sie die Vermögensgegenstände der von der KVG verwalteten Fonds, was zu einer strikten Trennung der Fondsvermögensgegenstände und der der KVG führt. Die Verwahrung kann von der Verwahrstelle auch auf einen sog. Unterverwahrer ausgelagert werden. Zudem hat sie bspw. die Aufgabe, die Tätigkeit der KVG auf Vereinbarkeit mit dem Kapitalanlagerecht sowie den vertraglichen Grundlagen des jeweiligen Investmentvermögens zu prüfen. Weiterhin sichert die Verwahrstelle den Bestand des Investmentvermögens; bestimmte Rechtsgeschäfte, die das jeweiligen Investmentvermögen betreffen, unterliegen deshalb ihrem Zustimmungsvorbehalt.

Wichtige Ergänzungen durch Überarbeitung des Rundschreibens

Die Änderungen des Rundschreibens betreffen vor allem die Unterverwahrung und die Kontrollfunktion der Verwahrstelle. Wichtige Anpassungen sind u.a.:

  • Im Rahmen der Verwahrung von Vermögensgegenständen sind Aufzeichnungen und Konten von der Verwahrstelle stets korrekt zu führen. Beauftragt die Verwahrstelle einen Unterverwahrer, hat sie einen regelmäßigen Abgleich zwischen ihren Konten und Aufzeichnungen und denen des Unterverwahrers durchzuführen. Die Häufigkeit des Abgleichs hängt von der Handelstätigkeit des Fonds ab; sofern die Handelstätigkeit z.B. täglich stattfindet, ist auch der Abgleich täglich durchzuführen.
  • Auf Ebene des Unterverwahrers ist sicherzustellen, dass Vermögensgegenstände der Verwahrstelle und die der Fonds, deren Vermögensgegenstände der gleiche Unterverwahrer verwahrt, in getrennten, also rechtlich selbstständigen, Depots verwahrt werden; eine rein buchhalterische Trennung ist nicht ausreichend.
  • Bei einer Unterverwahrung muss die Verwahrstelle sicherstellen, dass der Unterverwahrer alle notwenigen Schritte unternimmt, um zu gewährleisten, dass im Fall seiner Insolvenz die von ihm unterverwahrten Vermögensgegenstände des Fonds nicht an seine Gläubiger ausgeschüttet werden.
  • Bei einer Unterverwahrung im Ausland muss die Verwahrstelle sicherstellen, dass der Anlegerschutz auch dort gewährleistet ist. Dies kann über eine sog. Drei-Punkte-Erklärung des Unterverwahrers erreicht werden. Diese beinhaltet, (i) dass der Unterverwahrer die Vermögensgegenstände als dem Kunden der Verwahrstelle (Fonds) gehöhrend verwahrt, (ii) Pfand- und Zurückbehaltungsrechte nur in Bezug auf solche Ansprüche, die in Bezug auf die eingebrachten Vermögensgegenstände entstanden sind, geltend gemacht werden können und (iii) die Verwahrstelle über Pfändungen o.ä. von Dritten unterrichtet wird.
  • Die Haftung der Verwahrstelle gegenüber dem jeweiligen Investmentvermögen für z.B. das Abhandenkommen verwahrter Vermögensgegenstände bleibt grundsätzlich auch im Falle einer Unterverwahrung bestehen. Eine Haftungsübertragung auf den Unterverwahrer ist grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme besteht nur für Verwahrstellen von Spezial-AIF, deren (institutionelle) Anleger grundsätzlich nicht das gleiche Schutzbedürfnis haben wie etwa Privatanleger.
  • Macht die KVG die Auszahlung ihrer Verwaltungsvergütung geltend, hat die Verwahrstelle die konkrete Berechnung aufgrund der z.B. in den Anlagebedingungen festgelegten Berechnungsgrundlage zu überprüfen. Dafür genügt es nicht, dass die Verwahrstelle die zugrunde gelegte Berechnungsmethode abstrakt überprüft. Vielmehr muss die Verwahrstelle die von der KVG zu entnehmende Vergütung konkret überprüfen; die KVG muss die dafür erforderlichen Informationen, z.B. Berechnungen, zur Verfügung stellen.
  • Wann die KVG für die Zurverfügungstellung von Informationen oder Unterlagen einen Aufwandsersatz verlangen kann, ist im Verwahrstellenvertrag, der zwischen der KVG und der Verwahrstelle geschlossen wird, abschließend festzulegen.

Fazit

Mit den Änderungen und Anpassungen des Rundschreibens wird der Anlegerschutz weiter gestärkt. Insbesondere die Rechtslage im Falle einer Unterverwahrung wird umfassender geregelt. Für Marktteilnehmer führen die Anpassungen daher zu mehr Rechtssicherheit.