EZB goes ESG – Ein Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken

Teil 1

Nach unserer Sommerpause melden wir uns mit einem der derzeit aktuellsten Themen zurück: die Nachhaltigkeit in der Finanzbranche. Ende Mai hat die Europäische Zentralbank (EZB) einen Leitfaden veröffentlicht, in dem sie darlegt, wie Klima- und Umweltrisiken gemäß dem derzeitigen Aufsichtsrahmen gesteuert und mehr Transparenz durch eine verbesserte Offenlegung von Informationen zu Klima- und Umweltrisiken erreicht werden kann. Die EZB hat den Leitfaden in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden entworfen. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation können bis Ende September Stellungnahmen abgegeben werden.

In einem zweiteiligen Beitrag gehen wir der Frage nach, ob der Leitfaden rechtlich verbindlich werden wird, für wen er gilt und welche inhaltlichen Schwerpunkte er setzt.

Der EZB Leitfaden im regulatorischen Gefüge

Der Leitfaden ist rechtlich nicht bindend für die Institute. Vielmehr soll er die Grundlage für einen aufsichtlichen Dialog darstellen. Die EZB beabsichtigt, ihren in dem Leitfaden formulierten aufsichtlichen Ansatz zur Steuerung und Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken im Laufe der Zeit weiterzuentwickeln und dabei regulatorische Entwicklungen einfließen zu lassen. Wie immer allerdings, wenn eine europäische Aufsichtsbehörde formaljuristisch nicht bindende Verlautbarungen, Erwartungen oder ähnliches veröffentlicht, sind die Institute in der Regeln dennoch gut beraten, die darin formulierten regulatorischen Anforderungen wahrzunehmen und umzusetzen. Das gilt allein schon im Interesse eines guten Verhältnisses mit der Aufsichtsbehörde.

Für welche Institute gilt der Leitfaden?

Die EZB erwartet, dass bedeutende Institute (SI) den Leitfaden nutzen. Beginnend mit dem Jahresende 2020 sind diese von der EZB deshalb aufgefordert, sie über jegliche Abweichungen ihrer Vorgehensweise von der in dem Leitfaden beschriebenen aufsichtlichen Erwartungen in Kenntnis zu setzen.

Im Hinblick auf weniger bedeutende Institute (LSI) empfiehlt die EZB den nationalen Aufsichtsbehörden, die Kernpunkte des Leitfaden ebenfalls anzuwenden; dabei ist allerdings dem jeweiligen Geschäftsmodell der Institute Rechnung zu tragen. Insoweit ist davon auszugehen, dass auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die inhaltlichen Kernpunkte in ihre Aufsichtspraxis übernehmen wird. Abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell werden deshalb wohl vor allem kleinere Institute, entsprechend dem Proportionalitätsgrundsatz, geringere Erwartungen an das interne Set-up zur Überwachung der Klima- und Umweltrisiken erfüllen müssen.

Welche Erwartungen hat die EZB?

Ihre Erwartungen an die Institute in Bezug auf deren Umgang mit Klima- und Umweltrisiken formuliert die EZB in den vier Kernbereichen (i) Geschäftsmodell und Geschäftsstrategie, (ii) Governance und Risikoappetit, (iii) Risikomanagement und (iv) Offenlegung.

Dieser Teil 1 der Beitragsreihe wird die  Erwartungen der EZB in Bezug auf das Geschäftsmodell, die Geschäftsstrategie sowie bzgl. Governance und Risikoappetit in den Blick nehmen. Teil 2 wird sich dann im Anschluss mit den Anforderungen bzgl. des Risikomanagements und der Offenlegung beschäftigen.

Anforderungen an das Geschäftsmodell und die Geschäftsstrategie  

  • Verständnis der Auswirkungen von Klima- und Umweltrisiken auf das Geschäftsmodell

Die EZB erwartet, dass Institute derzeitige und künftige Auswirkungen von Klima- und Umweltrisiken auf das jeweilige Geschäftsmodell ermitteln, verstehen und überwachen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Geschäftsmodell auch in Zukunft trag- und widerstandsfähig ist. Konkret erwartet die EZB u.a., dass Klima- und Umweltrisiken z.B. auf Ebene geographischer Gebiete und angebotener Produkte und Dienstleistungen ermittelt und dokumentiert werden.

  • Einbeziehung von Klima- und Umweltrisiken in die Geschäftsstrategie

Die Institute müssen festzulegen, welche Klimarisiken kurz-, mittel- und langfristig wesentlich für ihre Geschäftsstrategie sind. Dazu können sie z.B. Szenarioanalysen entwickeln, die die Widerstandsfähigkeit ihres Geschäftsmodells testen. Bei der Umsetzung der Geschäftsstrategie sollten Key Performance Indicators (KPIs) verwendet und diese auf die einzelnen Geschäftsfelder und Portfolios anwendet werden, um Klima- und Umweltrisiken Rechnung zu tragen.

Bspw. können Institute KPIs wie den CO2-Fußabdruck ihrer Vermögenswerte oder die Anzahl der Immobilien, deren Energieetikett sich dank der Finanzierung des Instituts verbessert hat verwenden und diese dann auf die verschiedenen Geschäftsbereiche wie z.B. Privatkundengeschäft und Corporate Banking anwenden. Durch Vergleich der Kennzahlen im Zeitverlauf kann der Fortschritt gemessen und überprüft werden.

Anforderungen an Governance und Risikoappetit

  • Überwachung von Klima- und Umweltrisiken durch das Leitungsorgan

Das Leitungsorgan des Instituts ist im Rahmen seiner Gesamtverantwortung auch für die Überwachung von Klima- und Umweltrisiken verantwortlich. Das Leitungsorgan sollte dafür Sorge tragen, dass Klima- und Umweltrisiken nicht nur in die allgemeine Geschäftsstrategie, sondern auch in das Risikomanagementrahmenwerk mit einbezogen werden. Dafür muss es Rollen und Zuständigkeiten im Hinblick auf Klimarisiken innerhalb des Instituts, z.B. im Rahmen von bestehenden oder neu einzurichtenden Ausschüssen, klar verteilen.

  • Aufnahme von Klima- und Umweltrisiken in das Rahmenwerk für den Risikoappetit

Die Risikostrategie und der Risikoappetit von Instituten sollte alle bestehenden wesentliche Risiken berücksichtigen und Risikolimits festlegen. Das schließt Klima- und Umweltrisiken mit ein. Insbesondere sollten Institute mittel- und langfristige Klimarisiken aufnehmen und ihnen zwecks Risikoüberwachung entsprechende Kennzahlen zuweisen, die den langfristigen Charakter des Klimawandels berücksichtigen. Dadurch werden Institute in die Lage versetzt, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und Risiken besser zu steuern.

  • Zuständigkeiten für die Steuerung von Klima- und Umweltrisiken innerhalb der drei Verteidigungslinien

Innerhalb der drei Verteidigungslinien eines Instituts (Interne Kontrolle/Operatives Management – Compliance und Risikomanagement – Interne Revision) sind Aufgaben und Zuständigkeiten bzgl. Klima- und Umweltrisiken zu verteilen. Im Rahmen der ersten Verteidigungslinie erwartet die EZB bspw., dass alle für die Kreditwürdigkeit eines Kunden relevanten Klima- und Umweltrisiken ermittelt, bewertet und überwacht werden. Im Rahmen des Risikomanagementsystems als Teil der zweiten Verteidigungslinie sind Klima- und Umweltrisiken als Bestimmungsfaktoren bestehender Risikoarten aufzunehmen. Diese Systeme sind im Rahmen der dritten Verteidigungslinie regelmäßig im Hinblick darauf zu überprüfen, inwieweit das Institut für die Steuerung von Klima- und Umweltrisiken gerüstet ist.

  • Aufnahme von Risikodaten in die interne Berichterstattung

Die interne Berichterstattung der Institute sollte aggregierte Risikodaten melden, die Auskunft darüber geben, inwieweit das Institut Klima- und Umweltrisiken ausgesetzt ist. Das ist erforderlich, um der Führungsebene eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen und eine wirksame Überwachung sowie Verringerung von Klima- und Umweltrisiken zu erreichen.

Ausblick auf Teil 2

Welche regulatorischen Anforderungen die EZB hinsichtlich der  Berücksichtigung von Klima- und Umweltrisiken im Rahmen des Risikomanagements und der Offenlegung von Klimarisikodaten an die Institute stellt, werden wir in Teil 2 der Beitragsreihe näher beleuchten. Stay tuned!

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