Als Reaktion auf die Corona-Krise hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) am 12. März 2020 operationelle Entlastungen für die unmittelbar von ihr beaufsichtigten systemrelevanten Banken beschlossen (abrufbar hier).
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und andere nationale Aufsichtsbehörden werden diese Beschlüsse aber auch bei ihrer Aufsicht über weniger bedeutende Institute anwenden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise werden auch in der Finanzwirtschaft deutlich spürbar sein. Wenn, wie im Moment, gleichzeitig sehr viele Unternehmen der Realwirtschaft in finanzielle Bedrängnis geraten, werden diese Schwierigkeiten entwickeln, laufende Kreditverpflichtungen bei ihren Banken zu bedienen. Fallen Rück- und Zinszahlungen in großem Stil aus, kann das für Banken durchaus bedrohlich werden, da dann der Kapitalrückfluss nicht mehr sichergestellt ist. Umgekehrt führt eine wirtschaftliche Krise in der Regel auch dazu, dass größere Investitionen und Transaktionen aufgrund der zunehmenden Unsicherheit wohl erstmal auf Eis gelegt werden, deren Finanzierung für viele, v.a. größere Banken, ein lukratives Geschäft ist.
Durch die Beschlüsse der EZB soll vor allem sichergestellt werden, dass die Banken sich trotz dieses schwierigen Krisen-Umfelds auf ihr operatives Geschäft konzentrieren und sowohl der Wirtschaft als auch Privathaushalten weiterhin als Kapitalgeber zur Verfügung stehen können.
Maßnahmen der EZB
Konkret hat die EZB, in Abstimmung mit den nationalen Aufsichtsbehörden, u.a. folgende Maßnahmen beschlossen:
- Der für 2020 geplante EU-weite Banken-Stresstest wird auf das Jahr 2021 verschoben.
- Institute dürfen zur Erfüllung der Kapitalanforderungen der Pillar 2 Requirements (P2R) Kapitalinstrumente verwenden, die nicht als Common Equity Tier 1 (CET1) qualifizieren, also z.B. Additional Tier 1 (AT1) oder Tier 2 (T2) Kapital. Dies sollte ursprünglich erst mit der Überarbeitung der Kapitaladäquanz-Richtlinie (CRD V) im Januar 2021 in Kraft treten.
- Institute dürfen vorrübergehend unterhalb der Kapitalanforderungen der P2G, des Kapitalerhaltungspuffers (Capital Conservation Buffer – CCB) und des antizyklischen Kapitalpuffers (Countercyclical Capital Buffer – CCyB) arbeiten. Für deutsche Institute sind der Kapitalerhaltungspuffer und der antizyklische Kapitalerhaltungspuffer im Kreditwesengesetzes (KWG) geregelt.
- Aufsichtsrechtliche Prüfungen der nationalen Aufsichtsbehörden sollen so pragmatisch und flexibel wie möglich ausgestaltet und, wenn nicht zwingend notwendig, verschoben werden.
- Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen den Instituten wenn möglich ausreichend Spielraum bei z.B. regulatorischen Meldepflichten geben, um Ressourcen der Institute zu schonen.
Wie verhält sich die BaFin?
Die BaFin war als Teil des einheitlichen Aufsichtsmechanismus in die Entscheidung der EZB eingebunden. Sie wird die beschlossenen Entlastungen bei ihrer Aufsicht über die weniger bedeutenden Institute anwenden. So hat sie z.B: aufgrund der momentan deutschlandweit verstärkten Tätigkeit von Arbeitsnehmern aus dem Homeoffice heraus Informationen zur Vereinbarkeit von (Handels-) Tätigkeiten außerhalb der Geschäftsräume der Institute zur Verfügung gestellt (abrufbar hier) sowie dazu Stellung genommen, dass Prüfer von Vor-Ort-Prüfungen (z.B: im Rahmen von Jahresabschlussprüfungen) vorerst absehen können (abrufbar hier).
Das ist ein wichtiges Signal seitens der Aufsicht für die Banken und den Finanzmarkt in diesen schwierigen Zeiten.