Mitte Juni 2023 hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag („ESG-Rating Verordnung“) zur Regulierung von ESG-Rating Anbietern veröffentlicht. In diesem Beitrag schauen wir uns näher an, warum eine Regulierung von ESG-Rating Anbietern erforderlich ist und wie die Regulierung aussehen soll.
Was sind ESG-Ratings überhaupt?
ESG-Ratings stellen eine Bewertung hinsichtlich der Nachhaltigkeitsmerkmale Umwelt, Soziales und Governance zur Verfügung. Sie bewerten z.B., wie ein Unternehmen oder ein Finanzprodukt gegenüber Nachhaltigkeitsmerkmalen exponiert ist oder welche Nachhaltigkeitsauswirkungen ein Unternehmen oder ein Finanzprodukt auf die Außenwelt hat. In der Regel bieten ESG-Rating Anbieter nicht nur die Ratings, sondern auch die den Ratings zugrunde liegenden ESG-Daten an.
Wie werden ESG-Ratings genutzt und warum sollen die Anbieter reguliert werden?
ESG-Ratings werden genutzt, um Nachhaltigkeitsrisiken einschätzen zu können. Anleger und Emittenten von Finanzprodukten nutzen ESG-Ratings zunehmend als Grundlage für eine fundierte und nachhaltige Investitions- oder Finanzierungsentscheidung. So kann ein Anleger bspw. anhand eines ESG-Rating beurteilen, ob Nachhaltigkeitsaspekte für ein Unternehmen, in das der Anleger investieren möchte, ein finanzielles Risiko darstellen oder ob das Unternehmen umgekehrt wesentliche Nachhaltigkeitsauswirkungen hat. Regulierte Institute nutzen ESG-Rating zudem häufig für das Screening von Anlagen (z.B. die Aufnahme oder den Ausschluss von Aktien in ein Portfolio oder ein Fonds), für die Analyse nach der Anlage (z.B. Bewertung der Nachhaltigkeit eines Anlageprodukts oder eines Fonds) oder für die Integration von ESG in Anlagestrategien. Zudem werden ESG-Ratings z.B. auch von Unternehmen genutzt, um operationelle Risiken zu berücksichtigen. Letztlich werden ESG-Ratings also für Investitionsentscheidungen und die Zuweisung von Kapital verwendet.
ESG-Ratings haben daher, ähnlich wie Bonitäts-Ratings, eine erhebliche Marktmacht und Einfluss auf das Funktionieren der Märkte. Von Anlegern und Verbrauchern wird ihnen häufig hohes Vertrauen entgegengebracht. Es ist zu erwarten, dass der Markt für ESG-Ratings in den kommenden Jahren weiter stark wachsen wird. Ziel der angestrebten Regulierung ist es daher, die Transparenz der Methoden von ESG-Ratings zu erhöhen und die Integrität von ESG-Rating Anbietern, etwa durch die Vermeidung von Interessenskonflikten, sicherzustellen. Dadurch soll die Qualität der ESG-Ratings verbessert werden.
Was will die Regulierung nicht?
Die ESG-Rating Verordnung zielt nicht darauf ab, Ratingmethoden zu harmonieren. Anbieter von ESG-Ratings haben weiterhin die Kontrolle über die von ihnen genutzten Daten und verwendeten Methoden. Sie müssen diesbezüglich (zukünftig) nur transparent sein.
Für wen soll die Regulierung genau gelten?
Von der ESG-Rating Verordnung erfasst werden sollen ESG-Ratings, die von einem europäischen ESG-Rating Anbieter abgegeben und veröffentlicht oder an regulierte Finanzunternehmen geliefert werden. Nicht erfasst sein sollen hingegen z.B. von regulierten Unternehmen für rein interne Zwecke selbst erstellte ESG-Ratings (wohl z.B. eigene, im Rahmen des Risikomanagements entwickelte ESG-Ratings) oder die Bereitstellung von ESG-Rohdaten, die keine Bewertung und Modellierung erfahren haben.
Wie soll die Regulierung aussehen?
Das Anbieten von ESG-Ratings in der EU soll zukünftig einem Zulassungserfordernis durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – „ESMA“) unterliegen. Im Rahmen des Zulassungsantrags sind insbesondere die Gesellschafterstruktur des ESG-Rating Anbieters, die Eignung seiner Geschäftsführung sowie die für das Rating verwendeten Methoden darzulegen. Zugelassene ESG-Rating Anbieter sollen in einem ESMA-Register geführt werden.
Um die Integrität von ESG-Rating Tätigkeiten sicherzustellen, müssen die ESG-Rating Anbieter (i) ihre Unabhängigkeit sicherstellen und dürfen z.B. keine Beratungs- oder Anlagetätigkeiten ausüben, oder Referenzwerte entwickeln, (ii) sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter ausreichend qualifiziert und frei von Insiderkonflikten sind, (iii) über ihre Tätigkeiten Aufzeichnungen führen, (iv) Beschwerdeverfahren vorhalten, (v) Vorgaben für Auslagerungen beachten, (vi) Interessenkonflikte vermeiden und (vii) Transparenzanforderungen erfüllen und dazu auf ihrer Webseite insbesondere z.B. Informationen über die verwendeten Rating-Methoden, Datenprozesse und Datenquellen, die Gewichtung von den drei Faktoren Umwelt, Soziales, Governance und den Einsatz von KI veröffentlichen.
Wie stets im Aufsichtsrecht sind dazu eine klare Organisationsstruktur, Prozesse und Verfahren einschließlich verschriftliche Policies vorzuhalten und einer regelmäßigen Prüfung zu unterziehen.
Wer überwacht die Einhaltung der Vorgaben?
Die Beaufsichtigung der ESG-Rating Anbieter soll, wie bei den Kredit-Ratingagenturen auch, zentral durch die ESMA ausgeübt werden. Dazu sieht die ESG-Rating Verordnung die üblichen aufsichtlichen Befugnisse wie z.B. die Vorlage von Informationen, Vor-Ort Prüfungen sowie Sanktionen wie den Entzug der Zulassung oder der Verhängung von Geldbußen vor. Zur Durchführung von aufsichtlichen Maßnahmen kann die ESMA allerdings auf die nationalen Aufsichtsbehörden zurückgreifen.
Ausblick und Fazit
Die ESG-Rating Verordnung befindet sich derzeit noch im Entwurf und nimmt nun ihren Weg durch das weitere Gesetzgebungsverfahren; EU-Parlament und der Rat müssen noch zustimmen. Änderungen am derzeitigen Entwurf sind daher noch möglich. Geplant ist wohl, dass die Verordnung in der zweiten Hälfte von 2024 in Kraft tritt. Insgesamt erscheint eine Regulierung mit dem erklärten Ziel einer gesteigerten Transparenz hinsichtlich der für das ESG-Rating verwendeten Daten und Methoden vor dem Hintergrund ihre wohl noch weiter zunehmenden Marktmacht durchaus begrüßenswert.