Die BaFin erläutert veränderte aufsichtsrechtliche Anforderungen in der Corona-Krise

In einer Pressemitteilung vom 24. März 2020 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Anpassung ihrer Aufsichtspraxis und die der europäischen Behörden in der Corona-Krise erläutert (abrufbar hier). Oberstes Ziel dabei ist, die Banken zu entlasten, damit diese sich auf die operationelle Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs und die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft konzentrieren können. Generell wird die BaFin dazu die Flexibilität, die das bestehende aufsichtsrechtliche Regelwerk bietet, vollumfänglich nutzen. Wichtige Maßnahmen der Aufsicht sind:  

  • Darlehen, die von Schuldnern in Folge der Corona-Krise nicht mehr bedient werden können, sind von den Banken nicht automatisch als ausgefallen einzustufen. Die European Banking Authority (EBA) hat diesbezüglich Klarstellungen veröffentlich (abrufbar hier). Grundsätzlich sollten Institute von der Möglichkeit der Restrukturierung von Darlehensverträgen Gebrauch machen und den Schuldner damit in die Lage versetzen, seine Kreditverbindlichkeiten langfristig weiterhin zu bedienen.

  • Entsprechendes gilt laut EBA für die Behandlung von Krediten im Rahmen des IFRS9 (International Financial Reporting Standard 9). Ob ein erhöhtes Kreditrisiko vorliegt, bewerten Banken in Bezug auf die gesamte Laufzeit des Produktes. Wird per Gesetz eine Stundung von Darlehen vorgesehen, wie etwa der deutsche Gesetzgeber dies im Zuge der Corona Krise beschlossen hat (hier abrufbar), soll dies nicht automatisch dazu führen, dass die Darlehen mit einem höheren Kreditrisiko angesetzt werden. Vielmehr sollten die Institute individuell prüfen, ob von einer langfristigen Verschlechterung der Rückzahlungsfähigkeit auszugehen ist.

  • Erleichterungen gelten bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Kreditgewährungen nach dem Kreditwesengesetz (KWG). Die BaFin stellt klar, dass für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit die Analyse des letzten verfügbaren Jahresabschlusses ausreichend ist, in der Regel derzeit der Jahresabschluss aus 2018, sofern der Jahresabschluss aus 2019 noch nicht vorliegt. Für die Bewertung der Kapitaldienstfähigkeit können die Institute eine ganzjährige Liquiditätsbetrachtung des Kreditnehmers aus der Vergangenheit heranziehen.

  • In einer Allgemeinverfügung hat die BaFin die Herabsetzung der Quote des antizyklischen Kapitalpuffers erlassen. Der antizyklische Kapitalpuffer zielt darauf, die Banken gegenüber systemischen Risiken aus dem Kreditzyklus widerstandsfähiger zu machen. Der Puffer soll bei übermäßigem Kreditwachstum aktiviert werden. In einer systemweiten Stressphase, wie momentan in der Corona-Krise, kann der Puffer sofort herabgesetzt beziehungsweise zur Verlustdeckung in Anspruch genommen werden. Auf diese Weise kann der antizyklische Kapitalpuffer dazu beitragen, dass Banken in Stresszeiten ihr Kreditangebot nicht übermäßig einschränken.

  • Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 27. März ihre Empfehlungen an die Banken zu Dividendenausschüttungen aktualisiert (abrufbar hier). Danach sollen Banken, um ihre Fähigkeit zur Verlustabsorption zu stärken und die Kreditvergabe an private Haushalte, kleine Unternehmen und Unternehmen während der Coronavirus-Pandemie zu unterstützen, für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 mindestens bis zum 1. Oktober 2020 keine Dividenden zahlen. Auch Aktienrückkäufe zur Vergütung der Aktionäre sollen nicht vorgenommen werden. Bereits ausgezahlte Dividenden sollen aber nicht zurückgefordert werden. Die BaFin bekräftigt in einer Pressemitteilung, dass sie Gleiches auch von den Instituten, die ihrer direkten Aufsicht unterstehen, erwartet (BaFin Erklärung hier please hyperlink abrufbar).  
  • Im Rahmen der Wertpapieraufsicht gilt u.a.: Bei den Verhaltens- und Informationspflichten im Wertpapiergeschäft wird die BaFin Verstöße bis auf Weiteres nicht verfolgen, die etwa bei Wertpapierdienstleistungen auftreten, die aus dem Homeoffice erbracht werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass etwaige Dokumentations- oder Informationslücken geeignet geschlossen und die Kunden hierüber informiert werden.

Weitere Informationen für Banken, Finanzdienstleister und Kapitalverwaltungsgesellschaften hält die BaFin auf ihrer Internetseite im Rahmen eines FAQ-Tool bereit, das regelmäßig aktualisiert wird. Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der Corona-Krise  noch weitere Empfehlungen und Maßnahmen sowohl auf Ebene der EU-Behörden als auch der nationalen Aufsichtsbehörden folgen werden.

Das Merkblatt der BaFin zur Nachhaltigkeit – Eine Einordnung

Am 24. September 2019 veröffentlichte die BaFin die Konsultation eines Merkblatts zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken.

Das Merkblatt ist 33 Seiten lang, soll für alle drei Aufsichtsbereiche gelten und macht den Anschein, als hätte sich die BaFin damit viel Mühe gegeben. Auf Nachfrage äußern Mitarbeiter der BaFin, dass das Merkblatt, wenn es einmal final ist, nicht rechtlich bindend sei. Und auch in der Vorrede wird ausführlich erläutert, dass es sich um ein Kompendium von Good-Practices, das unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips in den beaufsichtigten Unternehmen Anwendung finden soll, handele. Es soll eine sinnvolle Ergänzung zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) sein.

Wie ist das Merkblatt also rechtlich einzuordnen?

Im Moment ist es lediglich eine Äußerung der BaFin, die hierin ihre eigenen Ideen einer möglichen künftigen Verwaltungspraxis niederlegt. Der Verweis auf die MaRisk, die die Verwaltungspraxis der BaFin offenlegt, zeigt, dass hier nicht ein völlig unverbindliches Dokument erstellt wurde. Sicher dient die Marktbefragung auch dazu, das Verständnis der Finanzbranche im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu erweitern.

Derzeit gibt es noch keine rechtlich bindenden Vorgaben, wie der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche aussehen soll. Das Thema ist in ganz Europa auf der politischen Agenda. Und auch die BaFin hat immer wieder öffentlich geäußert, dass sie einen bewussten Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken als Teil des Risikomanagements etwa bei Kreditinstituten erwartet.

Die EU Transparenz-Verordnung, die die Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken regelt, ist bereits final, aber noch nicht in Kraft. Die Taxonomie-Verordnung wird zur Zeit in den Trilog-Verhandlungen auf europäischer Ebene diskutiert. Vor 2021 wird es sicher keine bindenden gesetzlichen Vorgaben geben.

Das Merkblatt ist nicht dazu gedacht, das derzeit bestehende rechtliche Vakuum zu füllen. Aber es regt an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – weil dazu rechtliche Vorgaben kommen werden. Und zwar in allen drei Aufsichtsbereichen der BaFin – Banken/Finanzdienstleistungen, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften.