Was gilt für wen, wenn EBA/ESMA, EZB und BaFin sich zu demselben Thema äußern? – Aufsichtskonvergenz innerhalb der EU am Beispiel der Geschäftsleitereignung

Geschäftsleiter eines regulierten Unternehmens kann nicht jeder werden. Es gibt spezifische aufsichtsrechtliche Vorgaben, die ein Geschäftsleiter erfüllen muss, z.B. muss er über eine ausreichende fachliche Eignung verfügen und insgesamt zuverlässig sein. Was sind nun die Vorgaben an die fachliche Eignung und was bedeutet Zuverlässigkeit genau? Hierzu geben Veröffentlichungen der Aufsichtsbehörden Aufschluss. Zum Thema Geschäftsleitereignung gibt es gleich von verschiedenen Behörden Äußerungen.

Bereits seit Januar 2016 gilt in Deutschland das von der BaFin veröffentliche Merkblatt zu den Geschäftsleitern, das zuletzt im Januar 2017 aktualisiert wurde. Nachdem EBA und ESMA im März 2018 weitere Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen und zur internen Governance veröffentlichten, hat die EZB im Mai 2018 den Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit an diese Leitlinien angepasst.

Angesichts der verschiedenen Veröffentlichungen stellt sich die Frage, welche rechtlichen Verbindlichkeiten damit einhergehen und was in der Praxis beachtet werden muss.

Für deutsche Institute gilt zunächst unmittelbar die Verwaltungspraxis der BaFin, die in dem Merkblatt zu den Geschäftsleitern veröffentlicht ist.

Die Aufgabe von EBA und ESMA hingegen ist unter anderem die Sicherstellung stabiler und funktionsfähiger Finanzmärkte. Dazu gehört auch die Förderung der Aufsichtskonvergenz in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Um eine gemeinsame Aufsichtskultur zu schaffen, müssen in der gesamten Union einheitliche Rechtsauslegung und ‑anwendung gewährleistet werden. EBA und ESMA nutzen hauptsächlich Leitlinien sowie Fragen und Antworten (Q&As) und geben so einen einheitlichen Rahmen vor. Die Leitlinien konkretisieren so zunächst europäische Richtlinien oder Verordnungen und sind für die nationalen Aufsichtsbehörden bindend. Sie gelten nicht unmittelbar gegenüber den deutschen Instituten, solange die BaFin sie nicht ausdrücklich in ihre Verwaltungspraxis übernommen hat. Die BaFin übernimmt die Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden in der Regel, nicht übernommene Leitlinien weist sie auf ihrer Homepage explizit aus.

Systemkritische Banken in Deutschland werden direkt durch die EZB beaufsichtigt. Die EZB kann die Leitlinien von EBA und ESMA innerhalb des vorgegebenen Rahmens durch eigene Leitfäden konkretisieren. Sie trägt so in einer teilnehmenden Rolle zur Ausführung der Aufgaben der europäischen Aufsichtsbehörden bei. Der Leitfaden der EZB zur Geschäftsleitereignung konkretisiert die Beurteilungspraxis der EZB und ersetzt nicht die Leitlinien. So wie das Merkblatt zu den Geschäftsleitern der BaFin die Verwaltungspraxis der BaFin widerspiegelt, zeigt der Leitfaden der EZB zur Geschäftsleitereignung die Verwaltungspraxis der EZB auf. Damit gilt der Leitfaden für die Institute, die die EZB direkt beaufsichtigt, da diese den Erwartungen der EZB genügen müssen. In der Praxis werden auch die nationalen Aufsichtsbehörden den Leitfaden der EZB nicht ignorieren, sondern versuchen, ihn in ihre Aufsichtspraxis zu integrieren, um eine einheitliche Praxis im eigenen Land sicherzustellen. Es sollte für systemkritische Banken kein wesentlich anderer Maßstab gelten als für den restlichen Finanzmarkt.

Inhaltlich nennt die EZB folgende Beurteilungskriterien für angehende Geschäftsleiter: Erfahrung, Leumund, Unvoreingenommenheit und Interessenskonflikte, Zeitaufwand und kollektive Eignung. Erfahrung erfordert praktische und theoretische Kenntnisse, die Geschäftsleiter für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. Die Anforderungen bezüglich der Erfahrung sind umso höher, je komplexer die Aufgaben sind und je größer das Institut ist. Der Leumund ist gegeben, wenn es keine gegenteiligen Hinweise gibt und auch sonst kein Grund zum Zweifeln besteht. Die Unvoreingenommenheit erfordert, dass Geschäftsleiter frei von Interessenkonflikten in der Lage sein müssen, selbst fundierte, objektive und unabhängige Entscheidungen zu treffen. Weiterhin müssen sie in der Lage sein, in quantitativer und qualitativer Hinsicht genug Zeit aufzuwenden, um ihre Leitungsaufgaben zu erfüllen. Zuletzt muss jedes Mitglied zur kollektiven Eignung der Geschäftsleitung beitragen, indem es durch bestimmte Wissensgebiete, Kenntnisse oder Erfahrungen die Geschäftsleitung ergänzt. Alle diese Anforderungen sind der Verwaltungspraxis der BaFin nicht fremd. Die Anforderungen der EZB gehen nicht über die Leitlinien von ESMA und EBA hinaus. In ihrem Newsletter vom 15. August 2018 weist die EZB darauf hin, dass die Maßnahmen der Banken zur Feststellung und laufenden Überprüfung der Eignung ihrer Geschäftsleiter noch verbesserungswürdig sind.

In Deutschland sind Banken durch die BaFin bereits stark reguliert. Die Leitlinien der EBA und ESMA ziehen bezüglich der Geschäftsleitereignung keine Verschärfung der Aufsichtspraxis der BaFin nach sich. Auch für die von der EZB beaufsichtigten deutschen Institute ergibt sich durch den Leitfaden der EZB keine Verschärfung. Eine Grundorientierung an dem Merkblatt der BaFin empfiehlt sich für alle deutschen Institute, denn wenn dieser Standard eingehalten wird, ist jedes Institut gut vorbereitet im Verfahren um die Anerkennung eines neuen Geschäftsleiters.

Neue Leitlinien zu den Anforderungen an Geschäftsleiter von Banken und Finanzdienstleistern

RegulatoryAm 21. März 2018 hat die EBA Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen für CRD- und MiFID-Institute veröffentlicht. Die Vorgaben beziehen sich damit auf Banken und Finanzdienstleister und richten sich zunächst an die nationalen Aufsichtsbehörden in der EU.

Die BaFin übernimmt die Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden (EBA, ESMA und EIOPA) in der Regel.[1] Die Leitlinien vereinheitlichen die Aufsichtspraxis innerhalb des europäischen Binnenmarktes und sind gerade auch vor dem Hintergrund des nahenden Brexits interessant. Denn neben den Aussagen der europäischen Aufseher, dass keine Briefkastenfirmen in der EU geduldet werden, wenn sich UK-Finanzunternehmen auf dem Kontinent nach dem Brexit zwecks Zugangs zum europäischen Markt ansiedeln, ist nun auch klar, dass die Qualifikation der Leitungsorgane und der zweiten Managementreihe die Anforderungen der Leitlinien erfüllen sollten. Wie bisher gelten die Anforderungen proportional zum geplanten Geschäftsmodel.

Die Fit-and-Proper-Anforderungen der EBA bringen für den deutschen Markt keine Verschärfung der Aufsichtspraxis. Sie gewährleisten eventuell mehr Rechtssicherheit, weil einige Grundsätze nun festgeschrieben sind. So ist etwa bei der Prüfung der zeitlichen Verfügbarkeit von Geschäftsleitern, die nicht ständig in Deutschland sind, die für die Position erforderliche Reisezeit einzubeziehen. Ausdrücklich erwähnt ist nun auch, dass Institute neuen Mitgliedern der Geschäftsleitung maßgeschneiderte Schulungsprogramme anbieten sollen, damit diese sich umfassend mit dem neuen Umfeld vertraut machen können. Gleichzeitig sollten Institute für solche Schulungsmaßnahmen Richtlinien und Verfahren vorhalten. Die Möglichkeit der Schulung neuer Geschäftsleiter ist bisher in der Verwaltungspraxis der BaFin vorgesehen, um Fachwissen ggf. aufzufrischen. Die EBA ist jetzt allerdings etwas konkreter in ihren Vorgaben.

Die neuen Leitlinien schreiben auch noch einmal explizit fest, dass Mitglieder des Leitungsorgans von Banken und Finanzdienstleistern unvoreingenommen und unabhängig sein sollen. Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die trotz Erläuterungen schwammig bleiben.

Ein einheitliches Niveau der Anforderungen an die Geschäftsleiter von Banken und Finanzdienstleistern in Europa ist sicher gut für den Markt und ermöglicht auch den Inhabern der sog. Geschäftsleiter-Führerscheine leichte grenzüberschreitende Wechsel an der Führungsspitze. Die Beibehaltung der geforderten Proportionalität der Anforderungen an Geschäftsleiter im Verhältnis zum Geschäftsmodell des jeweiligen Instituts lässt dem Markt und weiterhin auch der BaFin genug Spielraum für die konkrete Ausgestaltung der neu festgeschriebenen Vorgaben.

[1] Nicht übernommene Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden weist die BaFin explizit auf ihrer Homepage aus.