Stresstest als Messinstrument für Nachhaltigkeitsrisiken für Versicherer

Nachhaltigkeit, ESG, sustainable finance, das Thema Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft ist in aller Munde. Es ist gerade auch für die Versicherungsbranche sehr relevant. Dabei geht es vor allem um die Risiken, die sich für die Versicherer aufgrund der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Klimawandels ergeben. Sobald sich solche Risiken verwirklichen, kostet es die Versicherungen viel Geld.

Doch um welche Risiken geht es hier genau? Wie wirken sich diese konkret auf die Versicherer aus? Und wie können Versicherer diese bewerten und sich vorbereiten? Die BaFin erklärt im BaFin Journal für Oktober 2019  wie spezielle Stresstests zeigen können, wie sich der Klimawandel auf die Kapitalanlagen von Versicherungen auswirkt.

Klimarisiken für Versicherer

Welche klimawandelbedingten Risiken entstehen überhaupt für die Versicherungsunternehmen? Bei dieser Frage ist sowohl zwischen sog. physischen Risiken und Transitionsrisiken als auch danach zu unterscheiden, ob sich die Klimarisiken auf die Aktiv- oder die Passivseite der Bilanz des Versicherungsunternehmens auswirken.

Unter physischen Risiken versteht man sowohl einzelne Extremwetterereignisse und deren Folgen (z.B. Dürreperioden, Stürme, Waldbrände, Überflutungen) als auch die langfristige Veränderung klimatischer und ökologischer Bedingungen (z.B. Meeresspiegelanstieg, Übersäuerung und Vermüllung der Ozeane). Transitionsrisiken hingegen gehen mit der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft einher. So können z.B. politische Maßnahmen dazu führen, dass sich fossile Energieträger verknappen oder verteuern.

Daneben ist zu unterscheiden, ob die Klimarisiken das Versicherungsunternehmen auf der Aktiv- oder der Passivseite seiner Bilanz treffen. Die Passivseite ist betroffen, wenn das Versicherungsunternehmen von ihren Versicherten wegen klimabedingter Versicherungsfälle in Anspruch genommen wird. Klassisches Beispiel ist die Inanspruchnahme aufgrund von Schäden, die z.B. durch Überschwemmungen oder Sturmereignissen an Immobilien hervorgerufen werden. Je häufiger und stärker solche Extremwetterphänomene auftreten, desto öfter werden Versicherte ihre Versicherung auch in Anspruch nehmen müssen. Je öfter das geschieht, desto häufiger muss die Versicherung einspringen, desto mehr Zahlungsverpflichtungen treffen sie, desto stärker ist die Passivseite ihrer Bilanz belastet.

Aber auch die Aktivseite, also die Kapitalanlagen des Versicherungsunternehmens, kann von Klimarisiken betroffen sein. Auch hier dient das Beispiel von Überschwemmungs- und Sturmschäden an Immobilien aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse als Veranschaulichung. Die aus einem solchen Naturereignis resultierenden Schäden können schnell eine erhebliche Beeinträchtigung der Mieter der Immobilien herbeiführen. Ist die Immobilie im Eigentum des Versicherungsunternehmens, sind die Mieteinnahmen beeinträchtigt. Ist das Versicherungsunternehmen mittelbar in die Immobilie investiert, z.B. über Fonds oder über Aktien an einem Immobilienunternehmen, entstehen Auswirkungen auf die Rendite.

Wie also ist umzugehen mit den Risiken?

Eine Möglichkeit für Versicherungsunternehmen, ihre umweltbezogenen Risiken besser identifizieren, bewerten, überwachen, steuern und kontrollieren zu können, ist der Einsatz von Klimastresstests. Stresstests funktionieren so, dass sie bestimmte Szenarien abbilden und dann geprüft wird, wie das Unternehmen darauf reagiert. Damit können die Auswirkungen der Stressszenarien schon vor ihrem Eintritt antizipiert werden und das Unternehmen sich entsprechend auf den Fall des Eintritts vorbereiten.

Als Beispiel können die Stresstests dienen, die Banken durchführen müssen, um Auswirkungen bestimmter Szenarien (z.B. Währungsturbulenzen, hohe Kreditausfallquote, Wirtschaftskrisen etc.) auf die Bestands- und Risikotragfähigkeit des Instituts beurteilen zu können. Auch im Fondsbereich kennt man Stresstests; Kapitalverwaltungsgesellschaften sind verpflichtet, Liquiditätsstresstests durchzuführen, um antizipieren zu können, welche Folgen bestimmte Stressszenarien auf die Liquiditätslage der von ihnen verwalteten Fonds haben (mehr dazu finden Sie hier).

Nach dem gleichen Prinzip können daher auch Stresstest für Klimarisiken funktionieren. Das Versicherungsunternehmen gibt bestimmte Klimastressszenarien vor (Dürreperioden, Stürme, Waldbrände, Überflutungen etc.) und prüft, wie sich der Eintritt solcher Stressszenarien auf ihre Passivseite, aber vor allem auch auf ihre Kapitalanlagen auf der Aktivseite ihrer Bilanz auswirken würden.

Da die Unternehmen selbst für ihr Risikomanagement verantwortlich sind, stehen sie in der Pflicht zu prüfen, ob unternehmensspezifische Stresstests die wesentlichen Klimarisiken in geeigneter Weise abbilden können. Sie müssen Methoden und Instrumente eigenständig weiterentwickeln, damit diese Nachhaltigkeitsrisiken dauerhaft abbilden. Laut einer Umfrage der BaFin, sind Klimastresstests noch nicht flächendeckend in der Versicherungsbranche verbreitet. Von den Erst- und Rückversicherungsunternehmen in Deutschland sowie den Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, die unter der Aufsicht der BaFin stehen, verwenden nach Aussage der BaFin erst etwa sechs Prozent Klimastresstests im Kapitalanlage-Risikomanagement. Viele nutzen dabei Analyseinstrumente externer Anbieter an oder kombinieren eigene mit externen Instrumenten.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Wie der Banken- und Fondsbereich zeigt, sind Stresstest ein wirksames und gutes Instrument, Risiken konkret zu antizieren und sich als Unternehmen entsprechend auf ihren Eintritt vorzubereiten. Das gilt auch für Versicherungsunternehmen. Auch auf europäischer Ebene werden Stresstests im Versicherungsbereich diskutiert. Die EIOPA hat bereits im Juli 2019 ein Diskussionspapier veröffentlicht und darin konsultiert, welche methodischen Grundlagen bei Stresstests von Versicherungen herangezogen werden sollen. Die Konsultation lief bis 18. Oktober 2019.

Wie überall momentan beim Thema Klimawandel, Nachhaltigkeitsrisiken und ESG liegt das Hauptproblem der Unternehmen aber darin, dass es noch keine verbindlichen regulatorischen Vorschriften gibt, was z.B. genau unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. So kommen unterschiedliche Anbieter von Stresstests oder Unternehmen mit unterschiedlichen Methoden und Ansätzen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Aber gesetzliche Regelungen, die Abhilfe schaffen, sind schon auf dem Weg. Die Taxonomie-Verordnung z.B., die eine verbindliche Definition von Nachhaltigkeit festlegen wird, wird zur Zeit in den Trilog-Verhandlungen auf europäischer Ebene diskutiert. Vor 2021 wird es aber wohl keine bindenden gesetzlichen Vorgaben geben, sodass es bis dahin auch bei den unterschiedlichen Methoden und Ergebnissen der Klimastresstests bleiben wird.

Auch die BaFin wird sich aber weiterhin dem Thema annehmen, sich mit Klimastresstests auseinandersetzen und im Dialog mit der Branche bleiben. Ihr Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken behandelt Stresstest ist einem eigenen Kapitel und wird derzeit konsultiert (mehr zu dem BaFin Merkblatt finden Sie hier).

NGFS Bericht: Klimawandel als Risikofaktor der Finanzwirtschaft – Zentralbanken und Aufsichtsbehörden sollten sich vorbereiten

Der Klimawandel ist in aller Munde. Er wird viele Lebensbereiche betreffen und auch vor der Finanzwirtschaft nicht Halt machen. Aber wie könnten die Auswirkungen des Klimawandels in der Finanzwelt genau aussehen? Wie sollten sich Zentralbanken und Aufsichtsbehörden auf diese Risiken im Rahmen ihrer Aufsichtspraxis vorbereiten? Und was bedeutet das für Marktteilnehmer? Diese Fragen haben wir uns genauer angeschaut.

Der Klimawandel birgt Risiken für die Finanzwirtschaft. Aber auch Chancen?

Die Auswirkungen des Klimawandels in der Finanzwelt werden vielschichtig und komplex sein. Immer häufigere und extremere Wetterphänomene können zum Beispiel dazu führen, dass Versicherungen mehr und höhere Versicherungsschäden ausgleichen müssen. Dafür werden sie den Versicherten höhere Versicherungsprämien in Rechnung stellen, wodurch Privathaushalte und Unternehmen zusätzlich finanziell belastet werden. Dies kann zu einer Verringerung der Schuldenrückzahlungsfähigkeit von privaten oder gewerblichen Kreditnehmern führen, was wiederum das Kreditrisiko für Banken erhöhen kann. Extreme Wetterphänomene können zudem auch die Zerstörung oder Wertminderung von Vermögenswerten (z.B. Immobilien) zur Folge haben, die als Kreditsicherheit den Banken zur Verfügung gestellt werden. Das kann Banken dazu veranlassen, ihre Kreditvergabe einzuschränken und die für den Wiederaufbau in den von den Wetterphänomenen betroffenen Gebieten verfügbaren Mittel zu kürzen.

Auch wird eine ganz grundsätzliche Umstellung der (Real-)Wirtschaft hin zu weniger Treibhausgasen erforderlich sein. Das wird nicht ohne Investitionen gehen, die ein großes Potential für die Finanzwirtschaft entfalten können. So hat z.B. allein die EU eine jährliche Investitionslücke von fast 180 Mrd. EUR identifiziert, um ihre Klima- und Energieziele zu erreichen. 1 Die OECD schätzt, dass zur Erreichung des 2-Grad-Ziels die Finanzierung und Refinanzierung von Anleihen in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und emissionsarme Fahrzeuge das Potenzial haben, bis 2035 jährlich 620 bis 720 Mrd. USD an Emissionen und 4,7 bis 5,6 Billionen USD an ausstehenden Wertpapieren zu erreichen. 2 Finanzmarktteilnehmer können also durchaus auch Geld mit den bevorstehenden Herausforderungen des Klimawandels verdienen.

Mit all diesen Zukunftsszenarien müssen sich auch Zentralbanken und Aufsichtsbehörden beschäftigen. Denn sie üben zum einen die regulatorische Aufsicht über das Finanzsystem als solches aus, zum anderen haben sie aber auch über die sich darin bewegenden Marktteilnehmer im Blick, die ganz unmittelbar von den Auswirkungen der Klimarisiken betroffen sein werden. Wie sollten sich die Regulatoren also vorbereiten?

NGFS: A call for action für Zentralbanken und Aufsichtsbehörden

Zu dieser Frage hat das Central Banks and Supervisors Network for Greening the Financial System (NGFS) im April 2019 seinen ersten Bericht “A call for action: climate change as a source of financial risks” veröffentlicht (abrufbar hier) und darin Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zu konkretem Handeln aufgerufen. Das 2017 gegründete NGFS besteht aus nationalen Zentralbanken, nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden und internationalen Organisationen (frühere Blogbeiträge zum NGFS finden Sie hier). In dem aktuellen Bericht gibt das Netzwerk Zentralbanken und Aufsichtsbehörden vier Handlungsempfehlungen, die diesen dabei helfen sollen, die Risiken, die sich aus dem Klimawandel bzw. dem Erfordernis einer nachhaltigen Wirtschaft für die Finanzwelt ergeben können, besser zu verstehen und in ihrer Aufsichtspraxis berücksichtigen zu können:

  1. Integration klimabezogener Risiken in die Überwachung der Finanzstabilität
    Finanzmarktteilnehmer sollten u.a. klimabedingte Risiken in ihr Risikomanagement mit einbeziehen und bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen.
     
  2. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren im eigene Portfoliomanagement Zentralbanken sollten den Marktteilnehmern mit guten Beispiel voran gehen und Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen der Verwaltung vorhandenen Portfolios (Eigenmitteln, Pensionsfonds und Rückstellungen) einbeziehen.
     
  3. Schließung von Datenlücken Daten, die zur Bewertung von Klimarisiken relevant sind, sollten unter den Behörden ausgetauscht und veröffentlicht werden. Gemeinsame Arbeitsgruppen sollten eingerichtet werden.
     
  4. Sensibilisierung, technische Hilfe und Wissensaustausch
    Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Finanzinstitute sollten interne Kapazitäten aufbauen und innerhalb ihrer Institute, sowie untereinander zusammenzuarbeiten, um ein besseres Verständnis dafür aufzubauen, wie sich klimabedingte Faktoren in finanzielle Chancen und Risiken umwandeln können.

Um die Zentralbanken und Aufsichtsbehörden mit angemessenen Tools auszustatten, mittels derer sie die oben genannten Empfehlungen umsetzen können, besteht noch einiger Handlungsbedarf. Das NGFS plant u.a. (i) den Entwurf eines Handbuchs für Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, (ii) Leitlinien zur Szenario-basierten Risikoanalyse und (iii) best practices für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die eigenen Portfolios. Für Marktteilnehmer bedeutet das, dass sie sich darauf einstellen müssen, dass die Themen Klimarisiken und Nachhaltigkeit zukünftig nicht nur bei Anlegern, sondern auch bei der Aufsicht immer mehr in den Fokus rücken wird.

Was passiert in Deutschland?

Die BaFin beschäftigt sich bereits intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Schon jetzt gibt es Aussagen, dass Nachhaltigkeitskriterien Teil des Risikomanagements sein sollen. Dieser Aspekt wird in den kommenden Monaten sicher auch rechtlich noch konkretisiert werden müssen, um Wirkung zu zeigen.

1 European Commission, Action Plan: Financing Sustainable Growth, 2018.
2 OECD, Mobilising Bond Markets for a Low-Carbon Transition, Paris, 2017.

Sustainable Finance und Nachhaltigkeitsrisiken als Aufsichtsthemen – Trendwende oder nur Trend?

Ernst wurde das Thema Sustainable Finance spätestens, als die Europäische Kommission Anfang März 2018 ihren Aktionsplan für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlichte. In einem nachhaltigen Finanzwesen werden umweltbezogene und soziale Erwägungen bei den Investitionsentscheidungen berücksichtigt. Umwelterwägungen beziehen vor allem den Klimawandel, aber auch allgemein den Umweltschutz mit ein. Bei sozialen Erwägungen sollen Fragen der Minderung von Ungleichheit, gerechter Teilhabe und Investitionen in Menschen und Gemeinschaften eine Rolle spielen. Die Europäische Kommission sieht ihren Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen als einen „Teil umfassender Bemühungen, Finanzfragen und die spezifischen Erfordernisse der europäischen und der globalen Wirtschaft zum Nutzen der Welt und unserer Gesellschaft miteinander zu verknüpfen“. So hat der Aktionsplan auch das hehre Ziel, u.a. finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, zu bewältigen. Es stellt sich also die Frage, wie sich die politisch durchaus wünschenswerten Ziele des Aktionsplans in der Praxis umsetzen lassen, und welche konkreten Maßnahmen das seitens der Aufsicht auslöst.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Aktionsplan für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums angekündigt, bereits in Q2 2018 die Delegierten-Verordnung (EU) 2017/565 zu MiFID II dahingehend anzupassen, dass die Geeignetheitsprüfung künftig auch Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Mithilfe der Geeignetheitsprüfung soll sichergestellt werden, dass insbesondere der Privatkunde nur solche Investitionsmöglichkeiten angeboten bekommt, die für ihn geeignet sind. [1] Bislang sind Nachhaltigkeitskriterien kein Punkt, der im Rahmen einer Geeignetheitsprüfung berücksichtigt werden muss. Die Ankündigung der Europäischen Kommission ist im Moment nur eine Absichtserklärung, bindende Regelungen werden erst noch folgen.

Dennoch haben wir bereits jetzt zwei Anhaltspunkte, die zeigen, dass Nachhaltigkeit im Finanzmarkt ein Thema ist, das nicht länger ignoriert werden kann. Zum einen hat die BaFin Mitte Mai 2018 in einem Fachartikel zur nachhaltigen Finanzwirtschaft

mitgeteilt, dass sie davon ausgeht, dass künftig materielle Nachhaltigkeitsrisiken als Teil des institutsinternen Risikomanagements Berücksichtigung finden. Nachhaltigkeitsrisiken seien von den Instituten eigenständig zu bewerten und in das Risikomanagement zu integrieren. So könnten neben Anpassungen an den Risikomodellen auch Szenario-basierte Analysen und Stresstests sinnvolle Instrumente zur Quantifizierung von Nachhaltigkeitsrisiken und ihrer Wirkung in der Gesamtrisikosteuerung sein. Die BaFin macht in dem hier zitierten Fachartikel deutlich, dass sie sich auch auf europäischer und globaler Ebene für eine nachhaltige Finanzwirtschaft und einen entsprechenden Aufsichtsrahmen einsetzen wird. Sie spricht eindringlich auch davon, dass sie die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement einfordern wird.

Zum anderen hat auch die ESMA nachgelegt. In den am 28. Mai 2018 veröffentlichten Final Guidelines on MiFID II Suitability Requirements hat sie  good practice-Vorgaben für Institute vorgesehen, die sich mit der Nachhaltigkeit beschäftigen. Darin sieht die ESMA es als good practice an, wenn beim Einholen der Informationen von Kunden im Rahmen der Geeignetheitsprüfung für Anlageberatung und Portfolioverwaltung auch nicht-finanzielle Elemente Berücksichtigung finden, etwa die Erwägungen des Kunden hinsichtlich Umwelt, soziale und gesellschaftliche Faktoren. Zwar kommen den good practice-Vorgaben der ESMA keine gleichstarke Wirkung zu wie die bevorstehende Anpassung der Delegierten Verordnung zu MiFID II, dennoch zeigen sie die Zielrichtung der europäischen Wertpapieraufsicht und der Europäischen Kommission.

Der Markt ist derzeit noch nicht so enthusiastisch und gibt zu bedenken, dass nach der MiFID II-Umsetzung noch nicht wieder genug Ruhe eingekehrt ist, um sich gleich neuen Anforderungen zu widmen. Insgesamt aber scheint die Resonanz selbst bei einem gewissen Umsetzungsaufwand künftiger Anforderungen positiv zu sein. Ein Motivator ist das Verhalten der Investoren. Sobald die Investoren nachhaltige Produkte nachfragen, wird der Markt auch mehr davon anbieten. In der Versicherungsbranche etwa – und damit bei einem wesentlichen Teil der institutionellen Investoren – gibt es bereits eine Nachfrage nach nachhaltigen Produkten, wie die BaFin schon im November 2017 in einem Artikel  ausführte.

Es kündigt sich eher eine Trendwende an als nur ein vorübergehender Trend.

[1] Heute gilt, dass ein Institut von einem Kunden alle Informationen einholen muss über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten, über die finanziellen Verhältnisse des Kunden, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, die erforderlich sind, um dem Kunden ein Finanzinstrument empfehlen zu können, das für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entspricht.