Ende Oktober 2020 wurde die Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie gilt ohne Umsetzungsgesetz unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat ab dem 10. November 2021. Mit der Verordnung werden Schwarmfinanzierungsdienstleister erstmals einheitlich in der EU reguliert.
In einer zweiteiligen Beitragsreihe wollen wir näher betrachten, was Schwarmfinanzierung und Schwarmfinanzierungsdienstleister überhaupt sind, wie die bisherige Rechtslage in Deutschland aussieht und was die wesentlichen Inhalte der neuen Verordnung sind.
Schwarmfinanzierung – was ist das?
Schwarmfinanzierung bezeichnet eine Finanzierungsform, bei der eine Vielzahl von (privaten) Geldgebern ein konkretes Projekt oder Unternehmen, in der Regel mit jeweils eher geringeren Beträgen, finanziert. Erfolgt die Finanzierung über die Gewährung eines Kredits, spricht man von Crowdlending. Erfolgt das Investment hingegen über sonstige Anlagen, spricht man von Crowdinvesting. Die Anleger erhalten für das Investment z.B. einen festen Zinssatz oder werden über einen erfolgsabhängigen Zinssatz an zukünftigen Gewinnen des finanzierten Projekts beteiligt. Bei den kapitalsuchenden Unternehmen handelt es sich in der Regel um kleine und mittelgroße Unternehmen, häufig auch Start-ups, die sich so auf relativ unkomplizierte und schnelle Weise mit Kapital ausstatten können. Die Alternative für diese Unternehmen wäre eine klassische Fremdkapitalaufnahme bei Banken oder das Einsammeln von Kapital z.B. im Wege von Anleihen, womit aber häufig eine mit relativ hohen Kosten verbundene Prospektpflicht einhergeht. Anleger und kapitalsuchende Unternehmen finden in der Regel über Internet-Dienstleistungsplattformen zusammen, über die die Einsammlung der Gelder erfolgt. Die Internetplattform ist der Schwarmfinanzierungsdienstleiter.
Bisherige Rechtslage – Erlaubnis- und Prospektpflicht?
Der Plattformbetreiber wird in der Regel einer finanzaufsichtlichen Erlaubnis bedürfen. Welche Erlaubnis konkret erforderlich ist, hängt vom jeweiligen Geschäftsmodell im Einzelfall ab. In Betracht wird häufig eine Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) und dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) kommen. Möglich ist aber auch einer Erlaubnis nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) oder der Gewerbeordnung (GewO). Je nach Ausgestaltung des Geschäftsmodells kann der Plattformbetreiber z.B. das Einlagengeschäft nach dem KWG erbringen, wenn er sich von potenziellen Anlegern bereits vor Abschluss konkreter Verträge die Geldbeträge einzahlen lässt, mit denen diese über die Plattform Projekte finanzieren möchten. Das kann z.B. im Rahmen der Nutzeranmeldung erfolgen. Möglich ist aber auch die Erbringung von Anlage- oder Abschlussvermittlung. Anlagevermittlung liegt vor, wenn die Plattform als Bote des Anlegers dessen Absicht, Finanzinstrumente anschaffen oder veräußern zu wollen, an das kapitalsuchende Unternehmen weiterleitet. Abschlussvermittlung wird z.B. erbracht, wenn der Plattformbetreiber als Stellvertreter bevollmächtigt ist, die Willenserklärung eines Anleger anzunehmen, um ein Finanzinstrument zu kaufen. In Betracht kommt aber auch eine Erlaubnis nach dem ZAG zur Erbringung des Finanztransfergeschäfts, wenn der Betreiber der Internet-Dienstleistungsplattform etwa Gelder von Anlegern entgegennimmt und an die Anbieter der Unternehmensbeteiligung weiterleitet.
Ist das Geschäftsmodell der Plattform so ausgestaltet, dass Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) oder Wertpapiere vermittelt werden, muss der Betreiber sich daneben auch die Frage stellen, ob er einer Prospektpflicht unterliegt. Das VermAnlG sieht insoweit zwei praxisrelevante Ausnahmen der Prospektpflicht vor. Es enthält zum einen eine sog. Bagatellgrenze, die z.B. eingreift, wenn von einer Vermögensanlage insgesamt nur wenige Anteile angeboten werden oder diese unter einer bestimmten Preisgrenze bleiben. Zudem sieht das VermAnlG eine Ausnahme eigens für Schwarmfinanzierungen vor. Durch sie entfällt die Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospektes für die angebotenen Vermögensanlagen, wenn diese über eine Internet-Dienstleistungsplattform vermittelt werden und weitere gesetzlich geregelte Voraussetzungen erfüllt sind; der Anleger z.B. max. 1.000 EUR bei einem kapitalsuchenden Unternehmen investieren kann.
An wen richtet sich die neue Verordnung?
Die neue Verordnung richtet sich an den Erbringer von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen. Formaljuristisch bedeutet die Erbringung einer Schwarmfinanzierung im Sinne der neuen Verordnung die Zusammenführung von Geschäftsfinanzierungsinteressen von Anlegern und Projektträgern mithilfe einer Schwarmfinanzierungsplattform, durch die Vermittlung von Krediten oder die Platzierung von übertragbaren Wertpapieren, die von Projektträgern ausgegeben wurden, sowie die Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen in Bezug auf diese übertragbaren Wertpapiere. Schwarmfinanzierungsdienstleister ist also der Betreiber der Internet-Dienstleistungsplattform, bei denen sich das kapitalsuchende Unternehmen registrieren und sein Projekt den potentiellen Anlegern vorstellen kann. Nicht von der Verordnung erfasst sind Schwarmfinanzierungsangebote über 5 Mio. Euro; ab diesem Betrag gilt in der Regel eine Prospektpflicht, sodass eine zusätzliche Regulierung nicht erforderlich ist.
Ausblick Teil 2: Was ist der Inhalt der neuen Verordnung?
Mit der neuen Verordnung werden einheitliche Anforderungen an die Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen, an die Organisation, die Zulassung und die Beaufsichtigung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern, an den Betrieb von Schwarmfinanzierungsplattformen sowie an Transparenz in Bezug auf die Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen in der EU festgelegt. Das schauen wir und in Teil 2 genauer an.