Bedeutung der Reverse Solicitation im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb – Kommt ein neues Reporting?

Ende letzten Jahres hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) Daten dazu veröffentlicht, in welchem Umfang über die sog. Reverse Solicitation in Fondsprodukte investiert wird. In diesem Beitrag wollen wir einen Blick darauf werfen, wie sich die sog. Reverse Solicitation vom klassischen Vertrieb unterscheidet und welche Daten es zu Reverse Solicitation gibt.

Fonds sind nichts Anderes als gebündeltes Kapital von Anlegern. Damit diese Gelder investieren können, müssen sie erst einmal von der Anlagemöglichkeit wissen und Zugriff auf die Fonds haben. Das geschieht, indem die Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) ihre Produkte auf dem Markt anbietet, diese also vertreibt. Der Vertrieb ist aufsichtsrechtlich reguliert und als das Anbieten und Platzieren von Fondsanteilen oder –aktien definiert. Damit ein Fondsprodukt auf dem deutschen Markt vertrieben werden darf, muss die KVG bestimmte regulatorische Anforderungen erfüllen, z.B. dem Anleger bestimmte Informationen und Dokumente über ihr Produkt zur Verfügung stellen.

Vertriebsvorgaben gelten dabei nicht nur für deutsche Fonds, die auf dem deutschen Markt angeboten werden sollen. Aufsichtsrechtliche Vertriebsvorgaben gelten auch für EU-Fonds, die in Deutschland angeboten werden sollen. So muss bspw. eine luxemburgische KVG, die einen luxemburgischen Fonds auf dem deutschen Markt anbieten will, diese erfüllen. Gemeinsam ist diesen Vertriebskonstellationen, dass die Initiative von der KVG ausgeht; sie bietet ihre Fondsprodukte zur Zeichnung aktiv auf dem Markt an und möchte deutsche Anleger erreichen.

Allerdings: Viele Investoren, gerade institutionelle, wissen häufig genau, welche Anlagemöglichkeit sie suchen und wie diese ausgestaltet sein soll. Sie warten also nicht, bis ihnen auf dem Markt eine geeignete Investitionsmöglichkeit angeboten wird, sondern fragen diese aktiv selbst an. Hier geht die Investitionsinitiative also von dem Investor, und nicht von der KVG aus. Aufsichtsrechtlich liegt dann kein Vertrieb vor und die Vertriebsvorgaben finden keine Anwendung.

Entsprechendes gilt auch für grenzüberschreitende Konstellationen: Fragt z.B. ein deutscher Anleger ein irisches Fondsprodukt einer irischen KVG an, geht die Investitionsinitiative von ihm aus, einen aktiven Vertrieb der irischen KVG auf dem deutschen Markt gibt es in dieser Konstellation nicht. Der Anleger macht hier von seiner passiven Dienstleistungsfreiheit (sog. Reverse Solicitation) Gebrauch. Die passive Dienstleistungsfreiheit ist Teil der EU-Grundfreiheiten und wird durch die aufsichtsrechtliche Regulierung des Vertriebs nicht berührt. Sie schützt die Freiheit, dass ein Empfänger einer Dienstleistung (hier der deutsche Anleger) aus einem anderen Mitgliedstaat kommt (aus Sicht der irischen KVG also Deutschland) als der Dienstleister (in unserem Beispiel die irische KVG).

Lässt sich Kapital also ganz einfach über die passive Dienstleistungsfreiheit einsammeln und damit die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Vertrieb umgehen? Könnten sich KVGen also stets darauf berufen, gar nichts selbst auf den Markt zugegangen zu sein, sondern dass die Initiative stets vom Anleger ausging? Hier ist Vorsicht geboten. Fondsanbieter sollten keine vollständigen Vertriebsmodelle auf die Reverse Solicitation stützen. Der gesetzliche Regelfall ist der Vertrieb, also, dass die KVG ihr Produkt aktiv auf dem Markt platziert. Ist es ausnahmsweise umgekehrt und der Investor kommt aktiv mit einer Investitionsanfrage auf den Anbieter zu, sollte die KVG sich (gegenüber der Aufsicht) absichern und das gut dokumentieren.

Auf Anfrage der EU-Kommission hat die ESMA bei den nationalen Aufsichtsbehörden nun eine Umfrage durchgeführt, in welchem Umfang über die sog. Reverse Solicitation in Fondsprodukte investiert wird. Interessant sind diese Daten für die EU z.B. deshalb, weil sie mit der AIFMD II jüngst ein Regelwerk verabschiedet hat, das den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb erleichtern und vor allem vereinheitlichen soll (dazu haben wir bereits hier, hier und hier ausführlich berichtet). Die nationalen Aufsichtsbehörden verfügen laut ESMA jedoch nur vereinzelt über solche Daten. Laut der italienischen Aufsichtsbehörde Consob stammt ein Viertel des investierten Kapitals aus Reverse Solicitation, wovon wiederum 99% auf professionelle Investoren entfallen. In Zypern stammt laut CySEC 30% des von OGAW-KVGen und 50% des von AIF-KVGen genutzten Kapitals aus Reverse Solicitation. In Spanien hingegen geht man davon aus, dass lediglich ca. 1,3% des Kapital aus Reverse Solicitation stammen. Daten für Deutschland wurden nicht veröffentlicht.

Nach ihrer Umfrage kommt die ESMA zu dem Schluss, dass valide und permanente Daten über die Frage, wie viel Kapital für Fondsprodukte über den klassischen Vertrieb und über Reverse Solicitation eingesammelt wird, nur durch die Einführung eines neues Reporting gewährleisten werden. Konkrete Vorschläge für ein solches Reporting gibt es derzeit aber noch nicht. Es bleibt daher abzuwarten, ob die EU-Kommission den Vorschlag der ESMA aufgreifen wird, um sich ein genaueres Bild über die Bedeutung der Reverse Solicitation im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb zu machen.

Update: Politische Einigung zum Pre-Marketing erzielt

Am 05. Februar 2019 haben sich das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten politisch über den Vorschlag der EU-Kommission vom März 2018 über einheitliche Regelungen des sog. Pre-Marketing im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Fondsvertrieb geeinigt (Pressemitteilung abrufbar hier ).

Der Kommissionvorschlag beinhaltet sowohl Änderungen der Verordnungen über Europäische Risikokapitalfonds (EuVECA) und Europäische Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF) als auch Änderungen der Richtlinie über Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD). Zukünftig soll das sog. Pre-Marketing von Fondsmanagern EU-weit reguliert sein und damit einen einheitlichen Regelungsrahmen im EU-Binnenmarkt etablieren, um den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb zu vereinfachen. Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie in diesem früheren Blogbeitrag.

Grenzüberschreitender Vertrieb von Fonds – Harmonisierung von Vorab-Marketing-Tätigkeiten

Für die Erbringung von Finanzdienstleistungen ist in Europa eine entsprechende Erlaubnis erforderlich. Dabei können auch Marketingaktivitäten unter Umständen bereits als Finanzdienstleistungen angesehen werden. Problematisch kann das dann werden, wenn ein Fondsmanager seine Investmentfonds grenzüberschreitend in einem anderen EU-Mitgliedstaat vermarkten möchte und damit seinen Heimat-Mitgliedstaat verlässt. Das ist grundsätzlich leicht möglich mit einem EU-Pass für den Vertrieb von Investmentfonds.

Wenn ein Fondsmanager ohne EU-Pass aber einen Markt in einem anderen EU-Mitgliedstaat erst einmal testen und herausfinden möchte, ob Interesse an seinen Produkten besteht, sind Vorab-Marketingtätigkeiten ein geeignetes Mittel. Die AIFMD[1] benutzt bisher nur den Begriff „Marketing“ als regulierte Tätigkeit und unterscheidet insoweit nicht hinsichtlich Pre-Marketings. In einigen Mitgliedsstaaten (etwa in Luxemburg) sind Vorab-Marketingtätigkeiten noch nicht vom eigentlichen Marketing erfasst und daher – je nach Ausgestaltung – möglich, ohne dass bereits eine Erlaubnis erforderlich ist. Andere EU-Mitgliedstaaten (wie Deutschland) sind wesentlich strenger und fassen u.U. unter Marketing auch Vorab-Marketing-Tätigkeiten.

Um das Interesse der Investoren schon zu einem frühen Zeitpunkt testen zu können, sollen jetzt einheitliche Regelungen für Vorab-Marketing-Tätigkeiten von EU-Fondsmanagern (AIFM) innerhalb des Binnenmarktes eingeführt werden, die dann auch grenzüberschreitend einen einheitlichen Standard setzen werden. Dazu hat die EU-Kommission am 12. März 2018 den Entwurf einer Verordnung[2] und einer korrespondierenden Richtlinie[3] veröffentlicht, durch die der grenzüberschreitende Vertrieb von Fonds erleichtert und kostengünstiger werden soll.

Der Richtlinienentwurf sieht etwa in einem neuen Art. 30a der zu ergänzenden AIFMD eine Definition von Pre-Marketing vor, die eine Negativliste enthält. Wenn die Vorab-Marketing Tätigkeit die genannten Merkmale nicht enthält, liegt keine regulierte Tätigkeit vor, d.h. eine Erlaubnis ist nicht erforderlich. Der neue Vorschlag ändert die deutsche Praxis nicht. In der Verwaltungspraxis der BaFin wird beim Vertrieb von Fonds u.a. dann keine Erlaubnispflicht ausgelöst, wenn der Investmentfonds noch nicht aufgelegt ist, d.h. noch kein Investor den Fonds gezeichnet hat, und die Unterlagen noch nicht angebotsreif sind. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Anlagebedingungen noch zu verhandelnde Lücken aufweisen und auch der Name des Fonds noch nicht feststeht.

Die Entwürfe der Kommission zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Pre-Marketings, die entsprechend auch die EuVECA- und EuSEF-Verordnungen[4] anpassen werden, sind ein wichtiger Schritt hin zur Vereinheitlichung des Fondsmarketings in der EU und zum Abbau von regulatorischen Schranken innerhalb des Binnenmarktes. Ob die Reichweite allerdings so groß sein wird wie erhofft, erscheint fraglich, da der EU-Vertriebspass für Fondsmanager unangefochten die einfachste und leichteste Möglichkeit bleiben wird, Investmentfonds im Binnenmarkt zu vertreiben und zu vermarkten.

Stichworte: grenzüberschreitender Vertrieb, Vertrieb von Investmentfonds, BaFin, Harmonisierung des Binnenmarkts, EU Kommission, EU-Pass

[1] Richtlinie 2011/61/EU

[2] Proposal for a Regulation on facilitating cross-border distribution of collective investment funds and amending Regulations (EU) No 345/2013 and (EU) No 346/2013, COM(2018) 110 final.

[3] Proposal for a Directive amending Directive 2009/65/EC and Directive 2011/61/EU with regard to cross-border distribution of collective investment funds, COM(2018) 92 final.

[4] Verordnung (EU) No. 345/2013 und Verordnung (EU) No. 346/2013.