Update Nachhaltigkeitsregulierung – Was gibt es Neues?

In der Nachhaltigkeitsregulierung steckt derzeit selbst für das die Schnelllebigkeit gewohnte Finanzaufsichtsrecht viel Dynamik. In der Vergangenheit hatten wir bspw. schon über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die Richtlinie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) für nachhaltige Investmentvermögen und die technischen Regulierungsstandards zur EU-Transparenzverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – „SFDR“) berichtet. Doch was hat sich in der Zwischenzeit getan? Nachfolgend gibt es ein Update über ausgewählte aktuelle Entwicklungen der Nachhaltigkeitsregulierung.

1. Finale RTS zur SFDR

Die durch mehrere „Entwurfsrunden“ gegangenen technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards – „RTS“) liegen mittlerweile als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 in finaler Fassung vor (abrufbar hier). Die RTS zur SFDR konkretisieren insbesondere die Anforderungen an die Transparenzpflichten in vorvertraglichen Informationen, auf der Internetseite und in Jahresberichten. Die dazu in der Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 enthaltenen Vorlagen gelten ab dem 1. Januar 2023.

2. ESMA Sustainable Finance Timeline

Wer sich einen aktuellen Überblick über den zeitlichen Fahrplan der Nachhaltigkeitsregulierung verschaffen möchte, ist bei der Sustainable Finance Timeline der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – „ESMA“) vom 26. September 2022 gut aufgehoben.

3. BaFin Q&A zur SFDR

Zudem hat die BaFin am 5. September Q&A zur SFDR veröffentlicht. Ausgewählte Fragen und Antworten werden nachfolgen näher vorgestellt.

Die BaFin stellt nochmal ausdrücklich klar, dass Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO nicht nach der SFDR verpflichtet sind. Sie qualifizieren aufgrund der Bereichsausnahme des KWG (§ 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG) nicht als Finanzdienstleistungsinstitut und damit auch nicht als MiFID II-Wertpapierfirma; (nur) an diese richtet sich aber die SFDR.

Zudem wird zunehmend klarer, was genau unter „bewerben“ im Sinne des Art. 8 SFDR zu verstehen ist. Nach Art. 8 SFDR sind für Finanzprodukte, die ökologische oder soziale Merkmale bewerben, bestimmte vorvertragliche Transparenzpflichten zu erfüllen. Die BaFin legt „bewerben“ als „fördern“ aus. Das führt dazu, dass es für die Anwendbarkeit der Transparenzpflichten nach Art. 8 SFDR nicht erforderlich ist, dass für ein Finanzprodukt Werbung betreiben wird, z.B. in Form von Marketingmitteilungen. Umgekehrt wird Art. 8 SFDR nicht schon dadurch „ausgelöst“, dass lediglich angegeben wird, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen einbezogen werden (das ist vielmehr Grundinformation in vorvertraglichen Informationen für sämtliche Finanzprodukte, vgl. Art. 6 SFDR). Vielmehr muss das Finanzprodukt ökologische oder soziale Merkmale zielgerichtet fördern und dies nach außen kommunizieren. Dem Fördern können aktive oder passive Anlagestrategien zugrunde liegen. Ein zielgerichtetes Fördern von ökologischen Merkmalen könnte etwa bei einem Immobilienfonds vorliegen, der bei der Auswahl der Immobilien deren CO2-Fußabdruck berücksichtigt und dies entsprechend in der Fondsdokumentation verschriftlich ist.

4. Siebte MaRisk-Novelle

Bereits am 20.Dezember 2019 hat die BaFin ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Darin empfiehlt die BaFin eine strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken und eine Anpassung des Risikomanagements. Das Merkblatt enthält jedoch lediglich eine Zusammenstellung von unverbindlichen Verfahrensweisen (Good-Practice).

Mit der Konsultation zu den geplanten Änderungen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement („MaRisk“) sollen die Leitplanken des Merkblatts nunmehr in den Regelungstext der MaRisk aufgenommen. Die Anforderungen an die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement werden damit zu prüfungsrelevanten Anforderungen. Im Ergebnis sollen beaufsichtigte Unternehmen auch im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken einen ihrem Geschäftsmodell und Risikoprofil angemessenen Ansatz entwickeln. Dazu sind bisherige Prozesse anzupassen und neue Mess-, Steuerungs- und Risikominderungsinstrumente zu entwickeln. Auch hier gilt aber der Proportionalitätsgrundsatz, sodass bei einem schwächer ausgeprägtem Risikoprofil einfacherer Prozesse ausreichen werden.

Und sonst?

Derzeit arbeitet der europäische Gesetzgeber an der Erweiterung der Taxonomie-Verordnung zur Definition von sozialer Wirtschaftstätigkeit sowie Vorgaben zur guten Unternehmensführung; bisher deckt die Taxonomie-Verordnung nur die ökologische Nachhaltigkeit und damit nur das „E“ aus „ESG“ ab. Die EU Platform for Sustainable Finance hat dazu bereits im Februar diesen Jahres einen Final Report veröffentlicht.

Der Entwurf des BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen ist hingegen erstmal wieder zurückgestellt, zu dynamisch schien das derzeitige regulatorische Umfeld für eine finale Regelung. Gleichzeitig wird die BaFin aber ihre Verwaltungspraxis an dort genannten Grundsätzen ausrichten, sodass sich der Markt faktisch an der Richtlinie orientieren wird.

Es ist also Bewegung in der Nachhaltigkeitsregulierung und längst sind noch nicht alle Fragen der Praxis geklärt. Es bleibt daher, wie immer im Aufsichtsrecht, spannend.

Die Europäische Kommission veröffentlicht Q&As zur Offenlegungsverordnung

Am 14. Juli 2021 hat die Europäische Kommission die ersten Antworten zu Fragen, die sich bei der Umsetzung der Offenlegungsverordnung (EU) 2019/2088 ergeben, veröffentlicht. Auch wenn bislang nur sechs Fragen beantwortet wurden, ist die Veröffentlichung der Kommission eine willkommene Hilfe für den Markt.

Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung

Inhaltlich hat die Kommission bestätigt, dass die Vorgaben der Offenlegungsverordnung auch für registrierte KVGen, die unter die de-minimus-Regelung fallen, gelten. Dasselbe gilt für Anbieter von Fondsprodukten, die unter eine nationale Private Placement Ausnahme fallen, was in Deutschland nicht mehr möglich ist, in anderen EU-Ländern z.T. aber noch geht. Das ist eine konsequente Auslegung der Verordnung, die primär dem Anleger eine informierte Investitionsentscheidung ermöglich soll.

PAI-Statement – comply-or-explain

Weiter erläutert die Kommission, dass bezogen auf die unternehmensseitigen Offenlegungspflichten, die in Art. 4 der Offenlegungsverordnung normiert sind, der comply-or-explain-Grundsatz gilt. Grundsätzlich möchte der europäische Gesetzgeber erreichen, dass Informationen zu nachhaltigen Investitionen und der Nachhaltigkeitsstrategie der Finanzmarktteilnehmer transparent auf der Webseite der Unternehmen dargestellt werden. Sofern ein Finanzmarktteilnehmer Nachhaltigkeitsaspekte nicht berücksichtigt, muss er dezidiert darlegen, weshalb. Das ist ganz klar ein Druckmittel, denn wer will in der heutigen Zeit erklären, weshalb Nachhaltigkeit kein Kriterium bei der Auswahl der Investitionen ist.

Dark Green – Art. 9 Produkte

Ein anderes Thema, das von der Kommission besprochen wird, ist die Frage, ob ein Art. 9-Produkt ausschließlich nachhaltige Investitionen tätigen darf. Nachhaltige Investitionen ist ein feststehender Begriff und definiert in der Offenlegungsverordnung als

eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zur Erreichung eines Umweltziels beiträgt, gemessen beispielsweise an Schlüsselindikatoren für Ressourceneffizienz bei der Nutzung von Energie, erneuerbarer Energie, Rohstoffen, Wasser und Boden, für die Abfallerzeugung, und Treibhausgasemissionen oder für die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Kreislaufwirtschaft, oder eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zur Erreichung eines sozialen Ziels beiträgt, insbesondere eine Investition, die zur Bekämpfung von Ungleichheiten beiträgt oder den sozialen Zusammenhalt, die soziale Integration und die Arbeitsbeziehungen fördert oder eine Investition in Humankapital oder zugunsten wirtschaftlich oder sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen, vorausgesetzt, dass diese Investitionen keines dieser Ziele erheblich beeinträchtigen und die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwenden, insbesondere bei soliden Managementstrukturen, den Beziehungen zu den Arbeitnehmern, der Vergütung von Mitarbeitern sowie der Einhaltung der Steuervorschriften.

Die Kommission stellt klar, dass ein Art. 9-Podukt in Assets und auch underlying Assets investieren muss, die eine nachhaltige Investition im o.g. Sinn darstellen. Allerdings ist für den Hedging- und Liquiditätsanteil dieser Produkte auch ausreichend, wenn diese Anteile nachhaltig im weiteren Sinn sind. Es muss dann in der Dokumentation klargestellt werden, wie diese Anteile, die nicht die harten Kriterien des Art. 9 der Offenlegungsverordnung erfüllen, zusammenspielen und zusammenpassen.

Light Green – Art. 8 Produkte

Es wurde entsprechend auch eine Frage zu Art. 8-Produkten behandelt. Wieviel Nachhaltigkeit muss in einem Art. 8-Produkt enthalten sein, damit es noch ein Art. 8-Produkt ist? Dazu erläutert die Kommission, dass die Grenze, die in Erwägungsgrund 21 der Verordnung erwähnt ist, nämlich dass ein Produkt den ESG-Zielen nicht schaden soll, nicht überschritten werden darf. Eine genaue Vorgabe, wie groß der Anteil der nachhaltigen Assets in einem Art. 8-Produkt sein muss, macht die Kommission nicht.

Umgang mit maßgeschneiderten Portfolien

Ein weiteres Thema, das in den Q&As angesprochen wird, ist der Umgang mit individuellen und maßgeschneiderten Portfolien und wie diese auf der Webseite des Finanzmarktteilnehmers offenzulegen sind. Das ist in der Tat eine wichtige Frage, da in diesen Fällen die Vertraulichkeit der Anleger gewahrt bleiben soll. Die Kommission stellt hierzu zunächst klar, dass sich die Offenlegungsverordnung grundsätzlich auf alle Portfolien bezieht, auch auf individuell zusammengestellte. Sie zieht sich dann aber auf den Hinweis zurück, dass selbstverständlich Datenschutz- und Vertraulichkeitsvorgaben, die es in nationalem Recht geben mag, eingehalten werden müssen. Das bedeutet also, dass auf der Webseite der Finanzmarktteilnehmer nur die Strategien offengelegt werden, nicht aber maßgeschneiderte Produkte. Ein gangbarer Weg wäre hier u.E., beispielhaft ein Standardprodukt darzustellen und dann aufzuzeigen, wie das verändert werden kann entsprechend der (Nachhaltigkeits-)Wünsche des Anlegers.

Weitere Q&As begrüßenswert

Insgesamt sind die ersten Q&As der Kommission begrüßenswert und es bleibt zu hoffen, dass im nächsten halben Jahr der Katalog der Fragen und Antworten noch erweitert werden wird.