Die EU-Regulierung für Schwarmfinanzierungsdienstleister Teil 2: Ein neuer Erlaubnistatbestand wird geschaffen

Ende Oktober 2020 wurde die Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie gilt ohne Umsetzungsgesetz unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat ab dem 10. November 2021. Mit der Verordnung werden Schwarmfinanzierungsdienstleister erstmals einheitlich in der EU reguliert.

In einer zweiteiligen Beitragsreihe wollen wir näher betrachten, was Schwarmfinanzierung und ein Schwarmfinanzierungsdienstleister überhaupt ist, wie die bisherige Rechtslage in Deutschland aussieht und was die wesentlichen Inhalte der neuen Verordnung sind. Nachdem wir uns in Teil 1 mit den Grundlagen der Schwarmfinanzierung und der aktuellen deutschen Rechtslage beschäftigt haben, betrachten wir in diesem Teil nun die Regelungen der neuen Verordnung etwas genauer.

Die Regelungen im Überblick

Mit der neuen Verordnung werden einheitliche Anforderungen an die Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen, an die Organisation, die Zulassung und die Beaufsichtigung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern, an den Betrieb von Schwarmfinanzierungsplattformen sowie an Transparenz in Bezug auf die Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen in der EU festgelegt. Sie richtet sich an den Erbringer von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen; also die juristische Person, die hinter der Internet-Plattform steht.

Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen

Die Verordnung legt allgemeine Rahmenbedingungen fest, die zur Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen erfüllt sein müssen. So muss die Geschäftsleitung eines Schwarmfinanzierungsdienstleisters etwa angemessene Regelungen und Verfahren zur Sicherstellung einer wirksamen Leitung festlegen, etwa in Bezug auf die Aufgabentrennung und die Vorbeugung von Interessenskonflikten. Bestimmt der Schwarmfinanzierungsdienstleister den Preis eines Angebots, muss dies nach bestimmten Vorgaben erfolgen. Zudem sind die Projektträger, also die kapitalsuchenden Unternehmen, sorgfältig zu prüfen. Es sind z.B. Nachweise darüber einzuholen, dass keine strafrechtlichen oder sonstigen Verstöße vorliegen und dass der Projektträger nicht in einem Land mit einem hohen Geldwäscherisiko sitzt. Auch ist ein Beschwerdemanagementsystem für Kundenbeschwerden einzurichten, Interessenskonflikten, die etwa über eine Beteiligung des Dienstleisters an den Finanzierungsangeboten entstehen können, muss vorgebeugt werden und es sind bestimmte Vorkehrungen im Falle einer Auslagerung zu treffen. Zudem müssen Schwarmfinanzierungsdienstleister ausreichende aufsichtsrechtliche Sicherheiten, etwas in Form von Eigenmitteln, verfügen.

Zulassung und Beaufsichtigung

Wer beabsichtigt, Schwarmfinanzierungsdienstleistungen zu erbringen, bedarf dafür einer Zulassung als Schwarmfinanzierungsdienstleister nach der neuen Verordnung. In Deutschland wird dafür die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig sein. Die Verordnung regelt das Zulassungsverfahren und schreibt etwa vor, welche Informationen und Dokumente einzureichen sind. Bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wird es ein Verzeichnis aller nach der Verordnung zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleister geben.

Die neue Vorordnung sieht auch Regelungen zum sog. EU-Passporting vor. Ist ein Schwarmfinanzierungsdienstleister in einem EU-Mitgliedsstaat zugelassen, muss er, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat Schwarmfinanzierungdienstleistungen erbringen will, dort keine erneute Erlaubnis beantragen. Um in dem anderen Mitgliedstaat tätig werden zu können, muss lediglich ein sog. Notifizierungsverfahren durchlaufen werden. So muss ein deutscher Schwarmfinanzierungsdienstleister, der auch in anderen EU-Staaten tätig werden will, der BaFin u.a. die Liste dieser Staaten und das Anfangsdatum seiner dortigen Tätigkeit mitteilen. Die BaFin teilt diese Informationen dann wiederum der jeweiligen Behörde in den anderen Mitgliedsstaaten mit.

Anlegerschutz

Die neue Verordnung sieht umfangreiche Regelungen zum Zwecke des Anlegerschutzes vor. So müssen alle Informationen, die der Schwarmfinanzierungsdienstleister seinen Kunden über bspw. sich selbst, die Kosten, finanzielle Risiken und Gebühren im Zusammenhang mit der Schwarmfinanzierungsdienstleistung zur Verfügung stellt, fair, klar und nicht irreführend sein. Zudem muss ein Schwarmfinanzierungsdienstleister, bevor er Privatanlegern uneingeschränkten Zugang zu auf seiner Plattform angebotenen Anlagen gewährt, bewerten, ob und welche Angebote für den Privatanleger geeignet sind. Diese Prüfung ist mit der Angemessenheits- bzw. Geeignetheitsprüfung des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) vergleichbar. Privatanlegern ist zudem eine sog. vorvertragliche Bedenkzeit von vier Tagen einzuräumen, während er sein Anlageangebot oder seine Interessensbekundung an einem Anlageangebot ohne Begründung jederzeit widerrufen kann. Anlegern ist zudem ein Anlagebasisinformationsblatt zur Verfügung zu stellen, deren Inhalt und Form durch die Verordnung im Detail festgelegt ist.

Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage

In dem Umfang, in dem die erbrachte Tätigkeit des Dienstleisters von der Definition der Erbringung einer Schwarmfinanzierungsdienstleistung nach der neuen Verordnung erfasst ist, ist keine weitere Erlaubnis erforderlich. Da diese Definition z.B. die Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen im Sinne der Zweiten EU-Finanzmarkrichtlinie (MiFID II) in Bezug auf übertragbare Wertpapiere und für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassene Instrumente erfasst, muss der Schwarmfinanzierungsdienstleister daher insoweit keine KWG-Erlaubnis zur Erbringung der Anlagevermittlung mehr einholen.

Tätigkeiten, die nicht von der Definition einer Schwarmfinanzierungsdienstleistung nach der neuen Verordnung umfasst sind, begründen hingegen auch weiterhin einen eigenen Erlaubnistatbestand. Erbringt der Schwarmfinanzierungsdienstleister etwa (auch) das Einlagengeschäft, indem er sich von potenziellen Anlegern bereits vor Abschluss konkreter Verträge die Geldbeträge einzahlen lässt, mit denen diese über die Plattform Projekte finanzieren möchten, bedarf er dazu auch weiterhin einer KWG-Erlaubnis. Gleiches gilt, wenn der Schwarmfinanzierungsdienstleister auch Zahlungsdienste erbringen will; dies ist möglich, er bedarf dazu aber auch weiterhin einer Erlaubnis nach dem ZAG.

Fazit

Die Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister zeigt einmal mehr, dass sich die Finanzmarktregulierung stetig fortentwickelt. Mit ihr wird die Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen in der EU erstmals einheitlich reguliert. Damit ist es sowohl für die Betreiber der Internet-Plattformen als auch für die Anleger zukünftig deutlich einfacherer und attraktiver, grenzüberschreitend tätig zu werden; nicht zuletzt auch deshalb, weil die Verordnung ein einheitliches Anlegerschutzniveau schafft. Das dürfte auch den kapitalsuchenden Unternehmen zugutekommen. Letztlich stärkt die Verordnung damit den europäischen Binnenmarkt.

Finanzanlagenvermittler: Das neue Compliance-Regime ist in Kraft

Im letzten halben Jahr gab es viele Diskussionen darüber, wer denn nun künftig die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler erhalten soll: wie bisher die regionalen Gewerbeämter bzw. die Industrie- und Handelskammern oder die BaFin. Ein Gesetzt, das die Aufsicht auf die BaFin überträgt, ist noch nicht verabschiedet, zeichnet sich aber ab. Seit 1. August 2020 gilt eine geänderte Finanzanlagevermittler-Verordnung (FinVermV), die die Wohlverhaltenspflichten für Finanzanlagenvermittler dem MiFIDII-Regime annähert. Wir hatten bereits früher dazu berichtet hier.

Die Neuerungen im Überblick

In § 11a FinVermV regelt den Umgang mit Interessenskonflikten. Bislang gab es nur eine Hinweispflicht gegenüber den beratenen Kunden, wenn ein Interessenskonflikt seitens des Vermittlers vorlag. Nun gibt es neue Vorgaben zur Vermeidung, zum Umgang und zur Offenlegung von Interessenskonflikten, die denen des WpHG, das für volllizensierte Anlageberater und Anlagevermittler gilt, angeglichen sind. Interessenskonflikte müssen nun zuerst durch geeignete Maßnahmen vermieden werden. Sollte das im Einzelfall nicht gehen, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, die eine Beeinträchtigung der Anlagerinteressen vermeidet. Und erst wenn die Maßnahmen insgesamt nicht ausreichen, sind die Interessenskonflikte dem Anleger gegenüber offenzulegen. Mit dieser Regelung Hand in Hand geht die allgemeine Verhaltenspflicht des § 11 FinVermV, wonach der Finanzanlagenvermittler verpflichtet ist, seine Tätigkeit mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im bestmöglichen Interesse des Anlegers auszuüben.

Eine weitere Neuregelung betrifft die Vergütung. Bislang gab es für Finanzanlagevermittler keine Vorgaben zur Ausgestaltung der Vergütung. § 11a Abs. 3 FinVermV sieht nun eine solche Regelung vor. Danach müssen Finanzanlagevermittler für die Vergütung ihrer Mitarbeiter Grundsätze und Praktiken festlegen und umsetzten, um sicherzustellen, dass durch die Vergütungspolitik keine Interessenskonflikte der Berater gegenüber den Kunden entstehen oder gefördert werden. Im Ergebnis müssen künftig variable Vergütungskomponenten an qualitativen Kriterien orientiert sein, um Anlegerinteressen Priorität einräumen zu können.

Zuwendungen etwa in Form von Abschluss-, Vertriebs- oder Bestandsprovisionen sind in den Vertriebsketten für Fondsanteile gängige Praxis. § 17 FinVermV verlangt, dass weiterhin Zuwendungen gegenüber den Anlegern offengelegt werden, neu ist, dass ausdrücklich normiert ist, dass Zuwendungen nur dann angenommen werden dürfen, wenn sie nicht nachteilig auf die Qualität der Beratung und Vermittlung auswirken und Kundeninteressen dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Die Prüfung, ob eine Anlageempfehlung für den Kunden geeignet ist, erfolgt nun nach § 16 FinVermV mit einem Verweis auf Art. 54 und 55 der MiFID-DelVO. Die Geeignetheitsprüfung ist also nun spezifiziert. So gelten etwa über die Verweise nun auch die ESMA-Guidelines zur Geeignetheitsprüfung nach MiFID II für Finanzanlagenvermittler. Der Finanzanlagenvermittler hat also nun im Rahmen der Anlageberatung vom Anleger alle Informationen (1) über Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers in Bezug auf bestimmte Arten von Finanzanlagen, (2) über die finanziellen Verhältnisse des Anlegers, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und (3) über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, einzuholen, die erforderlich sind, um dem Anleger eine Finanzanlage empfehlen zu können, die für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entspricht. Sofern eine Anlage nicht geeignet ist, darf sie nicht empfohlen werden. Sofern der Vermittler die erforderlichen Informationen nicht erlangt, darf er dem Anleger im Rahmen der Anlageberatung keine Finanzanlage empfehlen.

Mit der neuen erweiterten Pflicht zur Geeignetheitsprüfung geht einher, dass das bisherige Beratungsprotokoll durch eine Geeignetheitserklärung ersetzt wird (§ 18 FinVermV).

Schließlich trifft aus Beweissicherungsgründen nun nach § 18a FinVermV auch die Finanzanlagenvermittler die Pflicht, Telefongespräche und elektronische Kommunikation aufzuzeichnen, soweit diese sich auf die Vermittlung oder Beratung von Finanzanlagen bezieht. Persönliche Gespräche sind auf einem dauerhaften Datenträger zu dokumentieren. Damit trifft nun auch die Finanzanlagenvermittler, was der Markt seit MiFID II bereits umgesetzt hat.

Ausblick

Die FinVermV soll künftig in das WpHG integriert werden und es soll einen neuen Erlaubnistatbestand für Finanzanlagendienstleister ebenfalls im WpHG geben. Die Regelung in der GewO würde damit entfallen.

Eine hohe Anzahl der Finanzanlagenvermittler verfügen gleichzeitig über eine Erlaubnis als Versicherungsvermittler. Sollte die Aufsicht der BaFin über die Finanzanlagenvermittler kommen, würde das für die Vermittler mit doppelter Erlaubnis eine doppelte Beaufsichtigung bedeuten, nämlich einerseits für die Tätigkeit als Finanzanlagenvermittler durch die BaFin und andererseits als Versicherungsvermittler weiterhin durch die regionalen Gewerbeämter bzw. Industrie- und Handelskammern.

AIFMD II: Freie Fahrt statt Hindernislauf beim grenzüberschreitenden Fondsvertrieb in der EU

Seit dem 1. August 2019 gilt die Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der OGAW-Richtlinie und der AIFM-Richtlinie (AIFMD II). Sie ist bis zum 2. August 2021 durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen und dient dem Abbau von Hindernissen im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb in der EU. Flankiert werden die Regelungen der AIFMD II von der Verordnung (EU) 2019/1156 zur Erleichterung des grenzüberschreitendes Vertriebs von Fonds (VO 2019/1156). Diese gilt überwiegend bereits ab dem 1. August 2019, zum Teil, insbesondere die unmittelbar mit der AIFMD II korrespondierenden Regelungen, ab 02. August 2021. Als unmittelbar geltendes Recht bedarf sie keines nationalen Umsetzungsgesetzes.

In einer mehrteiligen Beitragsreihe wollen wir die Regelungen der AIFMD II sowie der VO 2019/1156 sowie deren Auswirkungen auf das deutsche Investmentrecht und die Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) näher betrachten. Zum Auftakt beleuchten wir in diesem Teil 1, wie der grenzüberschreitende Fondsvertrieb aus aufsichtsrechtlicher Sicht in der EU überhaupt funktioniert und welche Hindernisse im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb zukünftig abgebaut werden.

Überblick: Grenzüberschreitender Fondsvertrieb in der EU

Vereinfacht dargestellt, wird ein Fonds von einer Verwaltungsgesellschaft (KVG), die dafür die entsprechende Erlaubnis hat, aufgelegt, verwaltet und im Vertrieb den Anlegern angeboten. Aufsichtsrechtlich gibt es hier also gleich drei Anknüpfungspunkte: (i) die Verwaltungstätigkeit der KVG, (ii) die Zulassung des Fonds selbst sowie (iii) die Vertriebstätigkeit.

Für die originäre Verwaltungstätigkeit benötigt die KVG in dem EU Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, eine Erlaubnis; in Deutschland z.B. müsste die KVG eine BaFin Erlaubnis einholen. Einmal in einem EU-Mitgliedsstaat eine Erlaubnis erlangt, kann die KVG in jedem anderen  EU-Mitgliedstaat ebenfalls die von der Erlaubnis abgedeckten Tätigkeiten erbringen, ohne jeweils eine neue Erlaubnis beantragen zu müssen (sog. Europäischer Pass).  

Gleiches gilt für den jeweiligen Fonds. Er muss, um in der EU zum Vertrieb zugelassen zu sein, den europäischen Anforderungen entsprechen und seinen Sitz in der EU haben. Auch er benötigt also eine Zulassung in einem Mitgliedstaat der EU, um dann auch im Rahmen des Europäischen Passes in anderen Mitgliedstaaten der EU vertrieben werden zu können (sog. Produktpass). Hat der Fonds in einem EU-Mitgliedstaat eine Zulassung erhalten, ist ein jedem Mitgliedstaat, indem sein Vertrieb erfolgen soll, ein Notifikationsverfahren bei der zuständigen Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaates durchzuführen (sog. Vertriebsanzeige).

Erbringt die KVG die Vertriebstätigkeit selbst, ist dies bereits im Umfang ihrer eigenen Erlaubnis berücksichtigt. Nutzt sie hingegen ein Vertriebsnetz, muss sichergestellt sein, dass die jeweiligen Vertriebsgesellschaften die entsprechende Erlaubnis (in der Regel Anlageberatung- und –vermittlung und ggf. Portfoliomanagement) besitzt. Auch diese kann dann im Wege des Europäischen Passes in anderen Mitgliedstaaten genutzt werden.

Abbau von Hindernissen im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb

Zusätzlich zu diesen grundsätzlichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb kommen, je nach Fondsprodukt Mitgliedstaat und Anleger, weitere aufsichtsrechtliche Anforderungen hinzu. Der EU-Gesetzgeber hat sich hier zu zahlreichen Vereinheitlichungen und Ergänzungen entschieden.  

Keine zwingende physische inländische Präsenz

Soll z.B. ein Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) oder ein Alternatives Investmentvermögen (AIF) mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat in Deutschland vertrieben werden, verlangt die BaFin aus Anlegerschutzgründen u.a., dass die KVG ein inländisches Kreditinstitut, über das Zahlungen für die Anleger geleitet und Rücknahme von Anteilen oder Aktien abgewickelt werden, benennt (sog. inländische Zahlstelle).

Dies ist für die KVGen allerdings mit einigem Aufwand verbunden, da z.B. ein entsprechender Kooperationsvertrag mit der inländischen Zahlstelle abzuschließen ist. Für Anleger ist es zudem oft leichter –und in der Praxis auch üblicher- , sich einfach per Mail oder telefonisch mit der jeweiligen KVG direkt in Verbindung zu setzen. Die Folge ist, dass die inländischen Zahlstellen oft eher für administrative Zwecke genutzt werden, wie z.B. die grenzüberschreitende Einziehung behördlicher Gebühren.

Der EU-Gesetzgeber hat sich deshalb zu einer Modernisierung bei gleichbleibendem Anlegerschutz entschlossen. Zukünftig wird beim grenzüberschreitenden Vertrieb von EU-OGAW und –AIF keine physische Präsenz im jeweiligen Vertriebsstaat, wie z.B. einer inländische Zahlstelle, vorgeschrieben. Im Gegenzug sind allerdings Vorgaben zur Information und Kommunikation mit den Anlegern sowie der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde vorgesehen. Aus Anlegerschutzgründen ist deshalb u.a. etwa sicherzustellen, dass die Verarbeitung von Zeichnungs- und Rücknahmeaufträgen europäischen Vorgaben entspricht und den Anlegern Informationen über die Erteilung von Zeichnungs- und Rückgabeaufträgen zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist eine Kontaktstelle zur Kommunikation mit der jeweiligen inländischen Aufsichtsbehörde einzurichten. Ob der Fonds diese Anforderungen selbst erfüllt, oder von einem Dritten ausführen lässt, der einer entsprechenden Aufsicht unterliegt, ist zukünftig ihm überlassen. Erforderlich ist jedenfalls, dass die genannten Leistungen den Anlegern in der jeweiligen Amtssprache des Vertriebslandes oder einer anderen dort zugelassenen Sprache und (auch) elektronisch zur Verfügung gestellt werden.

Bisherige gesetzliche Regelungen, die die Benennung eines physischen inländische Präsenz vorschreiben, wie z.B. das deutsche Investmentrecht eine inländische Zahlstelle, sind daher an die neuen EU-Regelungen anzupassen.

Einheitliche Vorgaben für Vertriebsanzeigen und Änderungen von Vertriebsmodalitäten

Soll ein EU-OGAW in Deutschland vertrieben werden, ist dies von der KVG der BaFin entsprechend anzuzeigen (sog. Incoming UCITS notification, nähere Informationen dazu hier. Bzgl. der Vertriebsanzeige sieht die AIFMD II Vereinheitlichungen vor. So muss die Vertriebsanzeige alle Kontaktangaben enthalten, die zur Inrechnungstellung oder der Mitteilung von behördlichen Gebühren erforderlich sind. Ändern sich die im Rahmen der Vertriebsanzeige mitgeteilte Modalitäten der Vermarktung oder der Anteilsklassen, sind diese Änderungen der jeweils zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates und des Aufnahmemitgliedstaates einen Monat vor Umsetzung mitzuteilen. Im Falle eines EU-OGAW, der an deutsche Anleger vertrieben wird, wären solche Änderungen also der BaFin innerhalb der Mindestfrist mitzuteilen. Auch die bisherigen Regelungen des deutschen Investmentrechts gehen zwar davon aus, dass die Änderungen vor ihrer Umsetzung der BaFin mitzuteilen sind, benennen hierfür aber keine konkrete Mindestfrist. Dies wird entsprechend an die neuen EU-rechtliche Vorgabe angepasst werden. 

Ausblick auf Teil 2: Noch weniger Hindernisse im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb

Hat die KVG kein Interesse mehr daran, einen EU-OGAW oder –AIF in einem bestimmten Mitgliedstaat zu vertreiben, kann sie die Vertriebsanzeige bei der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaates widerrufen. Welches einheitliche Verfahren der EU-Gesetzgeber hierzu zukünftig vorsieht, werden wir im zweiten Teil der Beitragsreihe näher beleuchten. Zudem werden wir einen Blick auf das sog. Pre-Marketing von AIF und der Errichtung einer zentralen ESMA-Datenbanken zum grenzüberschreitenden Fondsvertrieb werfen. Stay tuned!

 

Abseits von Corona: Kurzupdate zum Geldwäscherecht

Auch abseits von Corona gibt es aktuelle Entwicklungen. Anfang Mai hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Rundschreiben 02/2020 (GW) zur Konkretisierung der Verordnungen hinsichtlich (i) des Prüf- und Berichtszeitraums sowie (ii) des Prüfungsturnus für die Berichterstattung über die getroffenen Vorkehrungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (abrufbar hier) veröffentlicht. Wir geben im Folgenden einen kompakten Überblick über die von der BaFin vorgenommenen Konkretisierungen.

  • Überblick: Prüfberichtsverordnungen

Prüfberichte über beaufsichtigte Institute sind für die BaFin von zentraler Bedeutung, um Informationen über die Geschäftslage der Institute zu erhalten. Die Prüfberichtsverordnungen konkretisieren die Anforderungen der Aufsicht an den Gegenstand der Prüfung, den Inhalt der Prüfungsberichte sowie Art und Umfang der Berichterstattung. Rechtstechnisch richten sich die Prüfberichtsverordnungen deshalb zwar an die Wirtschaftsprüfer der Institute, sind aber inhaltlich auch für diese selbst von Relevanz, etwa, um sich über den Erwartungshorizont der Prüfers bewusst zu sein. Im einzelnen gibt es Prüfberichtsverordnungen für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (PrüfbV), für Versicherungsunternehmen (PrüfV), für Zahlungs- und E-Geld-Institute (ZahlPrüfbV) sowie für Kapitalverwaltungsgesellschaften (KAPrüfbV).

  • BaFin Konkretisierungen zum Prüfungs- und Berichtsturnus

Prüfungen sind grundsätzlich in einem jährlichen Turnus durchzuführen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Institute aber eine Erleichterung in Anspruch nehmen und in einem zweijährigen Turnus prüfen lassen. Dies gilt für Kreditinstitute mit einer maximalen Bilanzsumme von 400 Mio. Euro, für Wertpapierhandelsunternehmen, die nicht befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen und nicht auf eigenen Rechnung mit Finanzinstrumenten handeln, sowie Institute, die ausschließlich das Finanzierungsleasing erbringen. Insbesondere im Hinblick auf die Wertpapierhandelsunternehmen stellt die BaFin klar, dass es insoweit auf das formelle Halten der jeweiligen Erlaubnis ankommt und nicht auf die tatsächliche Ausübung der Erlaubnis. Ist das Unternehmen also z.B. nach der jeweiligen Erlaubnis berechtigt, Kundengelder zu halten, macht davon aber keinen Gebraucht, kann es sich nicht auf die Erleichterung eines zweijährigen Prüfungsturnus berufen. Ergänzend stellt die BaFin klar, dass in Fällen, in denen alle Voraussetzungen für die Erleichterung vorliegen, dies entsprechend im Prüfbericht darzulegen ist.

Die Erleichterung hin zu einem zweijährigen Prüfungs- und Berichtsturnus kann von den oben genannten Instituten dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn ihre Risikolage ein kürzeres Prüfintervall erfordert. Hier konkretisiert die BaFin, dass unter einer solchen Risikolage insbesondere die Gefahr zu verstehen ist, dass das Institut für Geldwäsche/Terrorismusfinanzierung missbraucht wird; diese Gefahr steigt, wenn keine geeigneten Präventionssysteme wie z.B. interne Policies vorgehalten werden. Davon geht die BaFin insbesondere aus, wenn im vorangegangenen Prüfbericht wesentliche Mängel festgestellt wurden. In diesem Falle ist auf einen jährlichen Prüfungsturnus zu verkürzen.

  • BaFin Konkretisierung zum Prüfungs-und Berichtszeitraums

Unabhängig davon, ob eine Prüfung und Berichterstattung in einem ein- oder zweijährigen Turnus erfolgt, hat diese den gesamten Zeitraum seit dem Stichtag der letzten Prüfung und Berichterstattung zu umfassen. Die BaFin stellt klar, dass es keine prüfungs- und berichtsfreien Zeiträume gibt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Konkretisierungen der BaFin mehr Rechtssicherheit sowohl für die Wirtschaftsprüfer als auch für die zu prüfenden Institute bedeuten. Insbesondere die Klarstellung, dass die Inanspruchnahme der Erleichterung eines zweijährigen Prüfturnus an den formalen Umfang der gehaltenen Erlaubnis zu knüpfen ist, dürfte für Markteilnehmer hilfreich sein.

 

Finanzanlagenvermittler: Übertragung der Aufsicht auf die BaFin – Was ist neu, was bleibt beim Alten?

Das Jahr 2019 hat sich mit einigen neuen geplanten aufsichtsrechtlichen Änderungen für Finanzanlagenvermittler verabschiedet: Zum einen soll die Aufsicht zukünftig anstatt durch die Gewerbeämter oder den Industrie- und Handelskammern der Länder von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wahrgenommen werden. Zum anderen wird das an die MiFID II angepasste neue Regelungsregime ins Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) aufgenommen. Die Erlaubnis nach der GewO gilt grundsätzlich weiter, es müssen aber innerhalb einer Frist von 6 Monaten weitere Unterlagen vorgelegt werden. Hier nun ein Überblick:

Aufsicht der BaFin: Gesetzentwurf veröffentlicht – Vorbereitungen bereits im Gange

Die Ankündigung, dass die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die BaFin übertragen werden soll, gibt es schon länger. Doch nun wird die Sache konkret. Das Bundesfinanzministerium hat Ende Dezember 2019 den entsprechenden Gesetzentwurf veröffentlicht. Hintergrund der Übertragung der Aufsicht auf die BaFin ist vor allem, die bisherige zersplitterte Aufsichtsstruktur der Länder durch Industrie- und Handelskammern und Gewerbeämter zu beenden und die zunehmende Komplexität des Aufsichtsrecht zu berücksichtigen. Durch die Bündelung der Aufsicht bei der BaFin soll die Qualität und Effektivität der Aufsicht gesteigert werden und eine Angleichung an die Aufsicht über Wertpapierfirmen und damit letztlich an die rechtlichen Vorgaben der zweiten Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) erreicht werden. Das heißt im Klartext, dass Finanzanlagenvermittler künftig richtig beaufsichtigt werden – wie andere Finanzdienstleister auch.

Und auch wenn derzeit nur ein Gesetzesentwurf vorliegt, ist die BaFin-Aufsicht sicher. Nach dem politischen Gerangel im letzten Jahr ist die Entscheidung gefallen. In der Veröffentlichung der BaFin zu den Aufsichtsschwerpunkten 2020 informiert diese darüber, dass bereits in diesem Jahr im Bereich der Wertpapieraufsicht die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine reibungslose Übernahme der Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler durch die BaFin geschaffen werden.

Neuer Standort: WpHG

Bisher fanden sich die rechtlichen Regelungen der Finanzanlagenvermittler in der Gewerbeordnung (GewO) und der Finanzanlagenvermittlerverordnung (FinVermV). Im September 2019 wurde ein überarbeiteter Entwurf einer neuen FinVermV veröffentlicht, der bereits Anpassungen an das MiFID II-Regime beinhaltete. Darüber haben wir bereits hier berichtet.

Das gesamte Regelungsregime wird nun durch den Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums in das WpHG, das die europäischen MiFID II Regelungen für den deutschen Finanzmarkt umsetzt, übertragen. Die FinVermV wird aufgehoben werden. Inhaltlich bleiben die Anforderungen an die Finanzanlagenvermittler aber im Wesentlichen identisch mit dem Entwurf aus September 2019 und das Pflichtenregime der MiFID II wird in abgeschwächter Form Anwendung finden. Stichworte sind hier: Interessenskonflikte, Geeignetheitserklärung und Telefon-Taping. Einzelheiten dazu erfahren Sie in unserem früheren Blogbeitrag.

Finanzanlagenvermittler brauchen keine neue Erlaubnis – Handlungsbedarf besteht aber dennoch!

Üblicherweise bedeutet die Aufnahme einer neuen Dienstleistung ins WpHG auch ein neues Erlaubnisverfahren. Der Gesetzentwurf enthält detaillierte Regelungen zu den Voraussetzungen und zum Verfahren der Erlaubniserteilung künftig durch die BaFin, wie z.B. die bei der BaFin einzureichenden Unterlagen. Inhaltlich entsprechen diese in weiten Teilen den bisherigen Regelungen der GewO sowie den Vorgaben des Kreditwesengesetzes (KWG), welches u.a. die Erlaubniserteilung für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen regelt.

Dir gute Nachricht ist, dass bereits nach der GewO erlaubte Finanzanlagenvermittler keine neue Erlaubnis beantragen müssen. Ihre Erlaubnis gilt weiterhin. Der Gesetzentwurf führt nicht dazu, dass Finanzanlagenvermittler, die momentan unter einer bestehenden Gewerbeerlaubnis handeln, nochmal eine WpHG-Erlaubnis beantragen müssten. Vielmehr sehen Übergangsregelungen vor, dass die WpHG-Erlaubnis als erteilt gilt, soweit bis Ende 2020 eine Eintragung in das Vermittlerregister besteht und sie innerhalb eines halben Jahres nach Aufforderung durch die BaFin die in dem Gesetzentwurf aufgezählten Unterlagen sowie eine Selbsterklärung vorlegen. Kommen die Vermittler dem nicht nach, erlischt ihre Erlaubnis und sie muss neu beantragt werden.

Kompetenzen der BaFin und Selbsterklärungspflicht für Finanzanlagenvermittler

Dass der Gesetzgeber es mit der Aufsicht der BaFin künftig ernst meint, zeigen die neuen Regelungen des Gesetzentwurfs bzgl. der Kompetenzen der BaFin als Aufsichtsbehörde und daraus folgende Anzeigepflichten für die Finanzanlagenvermittler. Zur Überprüfung der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Pflichten kann die BaFin ohne besonderen Anlass Prüfungen anordnen; nach den bisherigen Regelungen waren Finanzanlagenvermittler grundsätzlich verpflichtet, für jedes Kalenderjahr einen Prüfungsbericht vorzulegen. Nunmehr kann die BaFin nach eigenem Ermessen und eigener Risikobewertung Prüfungen anordnen und ist dabei an keinen Turnus gebunden.

Damit die BaFin die risikoorientierte und anlassbezogene Aufsicht durchführen kann, muss sie über grundlegende und aktuelle Informationen zu den von ihr beaufsichtigten Vermittlern verfügen. Deshalb sieht der Gesetzentwurf eine jährlichen Selbsterklärung der Finanzanlagenvermittler mit wichtigen Parametern ihrer Geschäftstätigkeit vor.

Schärfere Aufsicht für sog. Vertriebsgesellschaften

Neu sind auch Regelungen für sog. Vertriebsgesellschaften. Diese werden in dem Gesetzentwurf legal definiert und erfassen Finanzanlagenvermittler, die als Handelsvertreter an Finanzanlagenvermittler angegliedert sind oder die über vertraglich verbundene Dienstleister verfügen. Vertriebsgesellschaften werden so regulatorisch von den zahlreichen auf dem Markt vorhandenen Kleinunternehmern abgegrenzt.

Aufgrund ihrer Größe und Bedeutung knüpft der Gesetzentwurf mehr regulatorische Pflichten an die Vertriebsgesellschaft als an Finanzanlagenvermittler. Vertriebsgesellschaften bedürfen z.B. einer erweiterten Erlaubnis und müssen der BaFin im Rahmen des Erlaubnisverfahrens mehr Unterlagen übermitteln und z.B. auch Auskunft über bedeutende Beteiligungen an der Vertriebsgesellschaft, der Geschäftsführung und der Organisation übermitteln. Sie müssen die Unterlagen der BaFin bis spätestens Mitte 2021 unaufgefordert vorlegen, um im Rahmen der Übergangsregelung keine neue Erlaubnis beantragen zu müssen.

Zudem sind verstärkte Organisationspflichten vorgesehen, die an die Vorgaben für Wertpapierfirmen und den Regelungen des KWG angelehnt sind. So werden etwa Geschäftsleiter stärker in die Verantwortung genommen und die Vertriebsgesellschaft muss sicherstellen, dass sie über angemessene Vorkehrungen verfügt, die die Kontinuität der Erbringung der Dienstleistung sicherstellt (z.B. Notfallpläne) oder Sicherheitsmechanismen geschaffen hat, die die Datenvertraulichkeit gewährleisten. Und schließlich stehen der BaFin auch mehr Prüfungskompetenzen zu; anstatt wie bei den Finanzdienstleistern ohne festen Turnus risikoorientiert zu prüfen, überprüft die BaFin bei Vertriebsgesellschaften die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen einmal jährlich.

Zuwiderhandlung kann teuer werden

Schließlich sieht der Gesetzentwurf auch neue Bußgeldvorschriften vor, die den Regelungen für Wertpapierfirmen entsprechen. Werden aufsichtsrechtliche Anforderungen nicht erfüllt, können Bußgelder von bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu 10% des Umsatzes fällig werden (zur verschärften Verwaltungspraxis der BaFin bei Bußgeldern siehe hier.

Was sollten Marktteilnehmer also beachten?

Auch wenn es sich bei dem Gesetzentwurf zunächst nur um einen Entwurf der zuständigen Referenten handelt, ist nicht zu erwarten, dass die endgültige Gesetzesfassung wesentliche Änderungen erfahren wird. Finanzanlagevermittler und Vertriebsgesellschaften sollten daher sicherstellen, dass sie von den Übergangsregelungen profitieren, ins Vermittlerregister eingetragen sind und der BaFin alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig und vollständig zur Verfügung stellen. Zudem sollte die Übergangszeit genutzt werden und frühzeitig mit der Implementierung der neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben begonnen werden.

Generell sollten sich Marktteilnehmer außerdem auf eine im Vergleich zu den Gewerbeämtern und Industrie- und Handelskammern stringentere Aufsicht durch die BaFin einstellen. Das muss für die Marktteilnehmer aber kein Nachteil sein; zeigt man entsprechende Bereitschaft, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen, ist die BaFin ein durchaus verlässlicher Partner.

MiFID II-Pflichten für Finanzanlagenvermittler: Update zu den neuen Vorgaben

Es gibt etwa 38.000 registrierte Finanzanlagenvermittler in Deutschland. Diese dürfen Anlageberatung und Anlagevermittlung zu Anteilen oder Aktien von Investmentfonds derzeit ohne Erlaubnis der BaFin erbringen. Stattdessen müssen sie sich registrieren und nach der Gewerbeordnung eine Erlaubnis der zuständigen Ordnungsbehörde (Gewerbeamt oder Ordnungsamt) erwerben. Es ist in der Praxis relativ einfach, eine solche Erlaubnis zu bekommen, und auch die Vorgaben, die von den Finanzanlagenvermittlern einzuhalten sind, sind im Vergleich zu BaFin-regulierten Instituten eher lax.

Der Bundestag hat nun am 11. Oktober 2018 dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Akkreditierungsstellengesetzes und der Gewerbeordnung (im Folgenden: Änderungsgesetz) zugestimmt. Das betrifft unter anderem auch die 38.000 Finanzanlagenvermittler. In der Gewerbeordnung wurde unter anderem die Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung („FinVermV“), die derzeit die organisatorischen Vorgaben für Finanzanlagenvermittler regelt, vor dem Hintergrund der Zweiten Finanzmarktrichtlinie („MiFID II“) erweitert, so dass der Weg für eine neue FinVermV geebnet ist.

MiFID II entfaltet als europäische Richtlinie keine unmittelbare Wirkung in Deutschland, sondern musste zunächst vom Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzt werden. Dies ist seit Anfang des Jahres im Wertpapierhandelsgesetz („WpHG“) geschehen und betrifft unmittelbar Banken und Finanzdienstleister. Die Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie trafen bisher Finanzanlagenvermittler nicht. Das nun verabschiedete Gesetz ist der erste Schritt in eine neue Richtung. Denn nach dem Willen der Bundesregierung sollen Finanzanlagenvermittler künftig zumindest in Teilen eine äquivalente Regulierung erfahren. Erst die neue FinVermV selbst wird aber konkret regeln, welche Pflichten aus der MiFID II auch von den Finanzanlagenvermittlern nach der Gewerbeordnung zu beachten sind.

Das nun verabschiedete Gesetz gibt jedoch schon den Rahmen dessen, was das Ministerium für Wirtschaft (im Einvernehmen mit dem Finanz- und dem Justizministerium) in der Verordnung regeln darf, vor und erlaubt damit einen ersten Blick, in welchem Umfang sich die Finanzanlagenvermittler auf MiFID II-Pflichten einstellen müssen. Insgesamt können die Finanzanlagenvermittler durchaus aufatmen, einige Pflichten aus der MiFID II werden aber auch sie treffen.

Offenlegung von Interessenskonflikten

Das Änderungsgesetz sieht vor, dass die neue FinVermV Regelungen hinsichtlich der Vergütungsstruktur der im Gewerbebetrieb der Vermittler beschäftigten Personen treffen muss. Die Regelungen zur Vergütungsstruktur sollen sicherstellen, dass die Leistung der Mitarbeiter nicht in einer Weise vergütet oder bewertet wird, die mit der Pflicht kollidiert, im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln.

Finanzanlagenvermittler werden zudem verpflichtet sein, Interessenskonflikte zu vermeiden sowie, sollte dies trotz der dafür ergriffenen organisatorischen Maßnahmen nicht möglich sein, bestehende Interessenskonflikte offenzulegen. Interessenskonflikte können, so ausdrücklich im Gesetzentwurf ausgeführt, ihre Ursache vor allem in der Gewährung und Annahme von Zuwendungen haben.[1] Zuwendungen, worunter nach den Regelungen der MiFID II auch Provisionen fallen, dürfen nur noch von Dritten angenommen oder an diese gewährt werden, wenn dadurch die Qualität der Finanzdienstleistung verbessert wird und der Erhalt bzw. die Gewährung der Zuwendung dem Kunden offengelegt wird. Die Qualitätsverbesserung ist vom Finanzanlagenvermittler nachzuweisen.  Da das Geschäftsmodell vieler Finanzanlagenvermittler auf Provisionen gestützt ist, könnte sich diese MiFID II-Regelung durchaus als problematisch für die Branche erweisen.

Zielmarktbestimmung

Erleichterung dürfte hingegen hinsichtlich der Bestimmung des Zielmarktes herrschen. Hier regelt das Änderungsgesetz, dass die Verordnung Regelungen treffen muss bezüglich der Pflicht, sich die erforderlichen Informationen über die jeweilige Finanzanlage, einschließlich des für diese bestimmten Zielmarktes, zu beschaffen und diese bei der Anlageberatung und Anlagevermittlung zu berücksichtigen. Es reicht also aus, wenn sich der Finanzanlagenvermittler Informationen über den jeweiligen Zielmarkt der Finanzanlage bei dem Produktemittenten beschafft und diese bei seiner Vermittlungstätigkeit berücksichtigt. Eine eigene Zielmarktbestimmung ist hingegen nicht erforderlich, was den Vermittlern erheblichen Zeit- und Kostenaufwand einsparen wird.

Keine Regelungen zu Best Execution, Taping und Kostenaufstellung

Nicht treffen wird die Finanzanlagenvermittler die sog. Best Execution-Pflicht. Diese sieht vor, dass Kundenaufträge kosten- und zeittechnisch in bestmöglicher Weise für den Kunden ausgeführt werden. Sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12. Juli 2017 (Bundestags- Drucksache 19/3373) noch vor, dass die Ermächtigungsgrundlage für die FinVermV entsprechend erweitert wird, sodass die FinVermV entsprechende Best Execution-Regelungen hätte treffen können, ist dies nach der vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesfassung nun vom Tisch.

Keine Erweiterung der Ermächtigungsgrundlage wird es geben hinsichtlich Regelungen zur Aufzeichnungspflicht von Verkaufsgesprächen (sog. Taping) und bezüglich der ex-ante und ex-post anzufertigenden Kostenaufstellung für das vom Kunden angefragte Finanzprodukt bzw. für die vom Kunden angefragte Finanzdienstleistung. Aufgrund einer insoweit fehlenden Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber wird die neue FinVermV keine entsprechenden Regelungen enthalten, was ebenfalls für eine gewisse Erleichterung in der Brache sorgen dürfte, hätten doch insbesondere das Taping und die erweiterte Kostenaufstellung erhebliche Ressourcen in zeitlicher, technischer und personeller Sicht erfordert. Hinsichtlich der Kosten und Nebenkosten bleibt es also vermutlich bei der bestehenden Regelung, wonach vor allem Angaben zu dem Gesamtpreis, den der Anleger im Zusammenhang mit der Finanzanlage und den Dienstleistungen des Finanzanlagenvermittlers zu zahlen hat, separat aufzuführen sind, einschließlich aller damit verbundenen Gebühren, Provisionen, Entgelte und Auslagen, oder, wenn die genaue Preisangabe nicht möglich ist, die Grundlage für die Berechnung des Gesamtpreises, damit der Anleger diesen überprüfen kann; auch die vom Finanzanlagenvermittler in Rechnung gestellten Provisionen sind bereits heute offenzulegen.

Wann kommt die neue FinVermV?

Der Entwurf zur neuen FinVermV sollte eigentlich schon im September 2018 fertig sein. Er wird nun bis zum Jahresende erwartet. Sollte es nur eine kurze Anhörungsphase geben, könnte die neue Verordnung schon im Jahr 2019 in Kraft treten. Es bleibt abzuwarten, wie der Verordnungsgeber die neue Ermächtigungsgrundlage ausnutzen wird. In der Zwischenzeit gilt die bisherige Rechtslage nach der „alten“ FinVermV unverändert fort.