Die Transparenzverordnung kam eher leise daher. Die Rede ist von der Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.
Sie wurde am 9. Dezember 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist damit
seit Jahresende 2019 in Kraft. Die Vorschriften gelten jedoch erst ab März
2021. Diese längere Übergangsfrist hat durchaus seine Berechtigung, denn die
neuen Vorgaben lassen sich nicht von jetzt auf gleich umsetzen.
Wer ist Adressat der Transparenzverordnung?
Die Transparenzverordnung richtet sich an die Finanzmarktteilnehmer und
Finanzberater. Finanzmarktteilnehmer sind alle regulierten Unternehmen, die
entweder Portfolioverwaltung oder kollektive Vermögensverwaltung (also die
Verwaltung von Fondsvermögen) erbringen oder ein Versicherungsanlageprodukt
anbieten. Mit den Finanzberatern sind dann alle weiteren regulierten
Unternehmen erfasst, die Anlageberatung oder Versicherungsberatung für ein
Versicherungsanlageprodukt erbringen. Wer weniger als drei Mitarbeiter
beschäftigt, ist nicht von der Verordnung erfasst.
Veröffentlichung des Umgangs mit Nachhaltigkeitsrisiken
Die Transparenzverordnung zwingt Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater,
im Rahmen ihres Risikomanagements Nachhaltigkeitsrisiken zu berücksichtigen.
Auf genaue Vorgaben, wie ein solchen Risikomanagement auszusehen hat,
verzichtet die Verordnung. Stattdessen listet sie auf, welche Informationen im
Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken auf der Internetseite der Finanzmarktteilnehmer
und Finanzberater zu veröffentlichen sind. Bei den Finanzmarktteilnehmern geht
es um die Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungsprozessen.
Wenn also ein Finanzmarktteilnehmer für einen Kunden Vermögensverwaltung
anbietet und im vom Kunden vorgegebenen Rahmen Anlageentscheidungen für den
Kunden trifft, soll der Kunde nachvollziehen können, inwieweit
Nachhaltigkeitsrisiken in seinem Portfolio einbezogen und wie diese strategisch
gemanagt werden. Dasselbe gilt für Finanzberater. Deren Kunden sollen ebenfalls
künftig nachvollziehen können, inwieweit Nachhaltigkeitsrisiken in der
Anlageberatung Berücksichtigung finden.
Denn nur so kann der Kunde eine informierte Anlageentscheidung treffen.
Finanzmarktteilnehmer, die weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen, müssen
also ab 10. März 2021 im Internet offenlegen, welche Strategie sie zur
Feststellung und Gewichtung der wichtigsten nachteiligen
Nachhaltigkeitsauswirkungen und Nachhaltigkeitsindikatoren verfolgen. Auch
müssen die wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen und ggf.
geplante oder ergriffene Gegenmaßnahmen beschrieben werden. Ein Beispiel für
nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen wären Sturmschäden, Waldbrände oder
Ernteausfälle aufgrund von irregulärem Wetter. Größere Unternehmen und Gruppen
haben bis zum 30. Juni 2021 Zeit.
Entsprechend sollen Finanzberater ab dem 10. März 2021 Informationen
darüber, ob sie bei ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung die wichtigsten
Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen oder warum sie solche
nicht berücksichtigen, offenlegen.
Hand in Hand mit den o.g. Offenlegungspflichten geht die Transparenz der
Vergütungspolitik in diesen regulierten Unternehmen, die zum einen ergänzt
werden muss um eine Strategie zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen
der Vergütung. Zum anderen ist diese Strategie dann ebenfalls auf der Webseite
des Finanzmarktteilnehmers und Finanzberaters offenzulegen.
Vorvertragliche
Transparenzvorgaben und Offenlegungspflichten im Hinblick auf Finanzprodukte
Der EU-Gesetzgeber geht davon aus, dass ohne harmonisierte Vorschriften
über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten gegenüber Kunden davon
auszugehen ist, dass weiterhin unterschiedliche Maßnahmen auf nationaler Ebene
getroffen werden und in verschiedenen Finanzdienstleistungsbranchen unterschiedliche
Ansätze fortbestehen. Diese divergierenden Maßnahmen und Ansätze würden wegen
der großen Unterschiede bei den Offenlegungsstandards auch künftig erhebliche
Wettbewerbsverzerrungen verursachen und eine Vergleichbarkeit von Unternehmen
und Finanzprodukten für den Kunden erschweren.
Daher enthält die Transparenzverordnung einen zweiten großen
Regelungsbereich, der den direkten Kundenkontakt betrifft. Es gibt neue
vorvertragliche Transparenzpflichten und Transparenzpflichten, die an die
Finanzprodukte selbst gebunden und fortlaufend zu erbringen sind.
Neue vorvertragliche Pflichten
Die oben beschriebenen Informationen, die zunächst auf der Internetseite
der Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu veröffentlichen sind, müssen
jedem Kunden bereits bei Geschäftsanbahnung und vor Geschäftsabschluss – aber
im Rahmen der allgemeinen Kundendokumentation – zur Verfügung gestellt werden.
Sofern Nachhaltigkeitsrisiken nicht relevant erscheinen, muss dies klar und
knapp begründet werden. Es geht also künftig nicht mehr, dass über
Nachhaltigkeit im Rahmen des Portfoliomanagements oder der Anlageberatung nicht
gesprochen wird.
Werden mit einem Finanzprodukt etwa ökologische und/oder soziale Merkmale
beworben, verlangt die Transparenzverordnung künftig genaue Angaben darüber,
wie solche Merkmale erfüllt werden.
Sofern mit einem Finanzprodukt eine nachhaltige Investition angestrebt
wird, muss für den Kunden bereits vorvertraglich erkennbar sein, wie das
angestrebte Ziel erreicht werden kann.
Offenlegungspflichten für Finanzprodukte
Spätestens ab dem 30. Dezember 2022 muss für jedes Finanzprodukt im Rahmen
der Portfolioverwaltung klar und begründet erläutert werden, ob und – wenn ja –
wie ein einem Finanzprodukt die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf
Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden.
Sofern ein Finanzprodukt nachhaltig ist und als solches auch beworben wird,
müssen künftig Finanzmarktteilnehmer, die solche Produkte im
Portfoliomanagement verwenden, detaillierte Informationen zur Nachhaltigkeit
auf ihrer Webseite zur Verfügung stellen und aktuell halten. Zusätzlich müssen
diese detaillierten Informationen auch in regelmäßigen Berichten ihren
Niederschlag finden, etwa in Jahresberichten oder den Berichten an den Kunden
über den Stand seines Portfolios und der erbrachten Verwaltungsleistung.
Das Datenthema
Die Transparenzverordnung spricht eines der heutigen Problemkreise dieser
Regulierung bereits selbst an. Die EU-Kommission erhält durch die Verordnung
die Ermächtigung, bis zum 30. Dezember 2022 zu bewerten, ob das Fehlen von
Daten oder eine suboptimale Qualität der Daten die regulatorischen Vorgaben
behindert. Hier bleibt abzuwarten, wie der Markt den Umgang mit der bestehenden
Datenlage gestaltet. Sicher ist, dass künftig mehr und einheitlichere
Nachhaltigkeitsdaten der den Finanzprodukten zugrundeliegenden
Unternehmensdaten erforderlich sind, als das derzeit der Fall ist.
Was ist zu tun?
Zum jetzigen Zeitpunkt sollten sich Portfoliomanager und Anlageberater Gedanken darüber machen, wie sie künftig mit Nachhaltigkeitsrisiken und überhaupt insgesamt mit dem Thema Sustainable Finance umgehen wollen. Als Anregung dafür könnte das Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken dienen. Ignorieren kann man das Thema nicht mehr. Da die Taxonomie-Verordnung noch auf sich warten lässt, sind im Moment einfach noch nicht alle Vorgaben, die Berücksichtigung finden müssen in den individuellen Nachhaltigkeitsstrategien, auf dem Tisch.